Sigmund Freuds Kokainforschung (1884–1887) im Kontext der zeitgenössischen Psychopharmakologie
Die Kokainforschung war ein großes Forschungsgebiet des späteren 19. Jahrhunderts, das heute wenig bekannt ist und hier exemplarisch untersucht wird: Von besonderem Interesse sind die wissenschaftlichen Annahmen über die Kokainwirkung, ihre Genese und ihr Einfluss auf die Forschungspraxis sowie die Methoden und Standards der Anwendung und Erprobung neuer Arzneimittel. Freud hat in der europäischen Kokainforschung eine wichtige Rolle gespielt, er hat zahlreiche klinische Versuche mit diesem neuen Medikament angeregt und selbst durchgeführt. In welchem Verhältnis steht Freuds erste medikamentöse therapeutische Methode der Behandlung von Neurosen und Psychosen zu den zeitgenössischen Standards der Arzneimittelprüfung? Wie innovativ sind Freuds Methoden der Kokainerprobung und seine ersten psycho-physiologischen Theorien? Durch die (Re)Integration Freuds in seinen Forschungskontext lassen sich neue Perspektiven gewinnen – auf Freud als Wissenschafter und die Fundamente der Psychoanalyse.
Nach dem Studium der Literaturwissenschaft, Philosophie und Geschichtswissenschaft an der Universität Bielefeld ist Anna Lindemann als Kollegiatin des Doktoratskollegs „Naturwissenschaften im historischen, philosophischen und kulturellen Kontext“ an die Universität Wien gewechselt. Ihr wissenschaftshistorisches Forschungsprojekt beschäftigt sich mit dem Naturwissenschafter Sigmund Freud bzw. mit seinen voranalytischen Forschungspraktiken und ihren wissenschaftlichen und medizinischen Kontexten.
Euripides’ Medea und die stoische Affektlehre, in: arcadia. International Journal of Literary Studies 47, 1, 2012, S. 1–15; Ästhetik und Konzeption einer romantischen Liebe. Karoline von Günderrode und Friedrich Creuzer, Wien 2010; Hamlet ‘in and out’ oder: Wie Hamlet und Grabbes Faust im Theater ihres Geistes spielen, in: arcadia. International Journal of Literary Studies 41,1, 2006, S. 160–186.
Die klinische Erprobung des Alkaloids Kokain war in den 1880er-Jahren ein wichtiger Forschungsbereich. Das Kokain wurde als neues Medikament nicht nur zur Lokalanästhesie verwendet, sondern auch in der Behandlung von Neurosen und Psychosen getestet. Sigmund Freud war hier Vorreiter und hat in der europäischen Kokainforschung eine zentrale Rolle gespielt. Anna Lindemann evaluiert in ihrem Vortrag die vielen Zuschreibungen dieses Alkaloids als Betäubungsmittel, Neuroleptikum, aber auch als Drogensubstitut bei der in Europa grassierenden Morphiumsucht.