Die Biennale Venedig. Eine permanente Weltausstellung zur Kulturgeschichte der Globalisierung
Den Einstieg ins Thema macht eine kurze Geschichte der Weltausstellungen bis zur Schau von Barcelona 1929. Beat Wyss analysiert die nationalen und kolonialen Pavillons, die nicht nur Kunst und Industrieprodukte, sondern auch exotische Menschen und Tiere in Szene setzten. Die Weltausstellungen veranschaulichen den Prozess der Globalisierung und damit auch deren Paradoxie: den Fortschritt technischer Homogenisierung und den Anspruch auf kulturelle Identität. Paris hat allein sechs Weltausstellungen ausgerichtet. Mit Gustave Courbet, Édouard Manet, Paul Gauguin und Pablo Picasso exponierten sich vier bedeutende Künstler im Rahmen einer "Universelle". Das Pavillonsystem wanderte 1895 nach Venedig und ist seither Sitz einer stehenden Weltausstellung der Kunst.Es wäre naiv, die Entwicklung in den Giardini von Venedig linear als Kulturfortschritt im Sinne eines naiven Multikulturalismus abzubuchen. Kannibalisieren Kunst und Architektur weltweit das tote Inventar ethnischer Traditionen, oder bringen sie über kulturelles Andenken eine regionale Emanzipation des Vielfältigen hervor? Ist die "Glokalisierung" der Kunst Vermarktungkalkül hybrider Folklore im Kreislauf von Mode und Unterhaltung oder ein Beitrag zur Völkerverständigung so wie der Fußball? Vielleicht lässt sich die optimistische Vermutung erhärten, dass der inszenierte Regionalismus eine Möglichkeit darstellt, nationale, regionale, ethnische Differenz zu visualisieren und zugleich vorurteilsfrei in den Raum ästhetischer Kommunikation zu stellen.
Beat Wyss ist Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe.
u. a.: Die Wiederkehr des Neuen, Berlin 2007; Vom Bild zum Kunstsystem, Köln 2006; Hegel's Art History and the Critique of Modernity, New York 1999 (deutsch: Trauer der Vollendung, Köln 1985 [Neuauflage 1996]); Die Welt als T-Shirt. Zu Ästhetik und Geschichte der Medien, Köln 1997; Der Wille zur Kunst. Zur ästhetischen Mentalität der Moderne, Köln 1996.