Ambivalenzen des Alltags. Ein kulturwissenschaftliches Konzept im Fokus des Politischen
Bereits seit den Arbeiten von Raymond Williams, Richard Hoggart und Edward P. Thompson gilt "Alltag" als zentrales Konzept der Cultural Studies. Besonderen Aufschwung erlebte dieses Modell durch populärkulturelle Forschungen v. a. seit den 1980er-Jahren und deren Fokus auf subversive Alltagspraxen, was nicht zuletzt zu heftiger Kritik an einer Überbewertung von Alltag als Potenzial für Widerständigkeit führte. Was Alltag jedoch genau bezeichnet, bleibt in vielen Arbeiten weitgehend ausgeblendet. Ziel dieses Forschungsprojekts ist es, das für die Cultural Studies zentrale, wenngleich wenig ausformulierte Konzept des Alltags theoretisch zu erschließen. Vor dem Hintergrund der Debatten um eine einseitige Zelebrierung oder Devaluierung des Alltags geht es darum, ein kritisches Konzept von Alltag zu erarbeiten, welches diesen als widersprüchlich und umkämpft begreift - wie es u. a. Henri Lefebvre, Agnes Heller und Lawrence Grossberg taten. Als möglicher Beitrag zu einer gesellschaftspolitischen Redimensionierung der Cultural Studies einerseits, soll ein kritisches Konzept von Alltag andererseits eine neue Diskussion um einen weiten Politikbegriff in der Politikwissenschaft anregen. Dies bedeutet auch, die feministisch-politikwissenschaftlichen Theorien zu "öffentlich"/"privat", die einen wichtigen Beitrag zu einer Erweiterung des Politikbegriffs leisten, durch die Integration des in der Politikwissenschaft bislang weitgehend absenten Alltagskonzepts zu aktualisieren.
Brigitte Bargetz studierte Politikwissenschaft und Geschichte an den Universitäten Wien und Aix-Marseille. 2005-2008 arbeitete sie im DOC-team Projekt "Gender an der Schnittstelle von Öffentlichkeit und Privatheit. Spätmoderne Transformationen". Forschungsaufenthalte in Seattle und Berlin. Sie ist Lehrbeauftragte in Wien und Graz und schreibt derzeit an ihrer Dissertation am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien.
The Politics of the Everyday. A Feminist Revision of the Public/Private Frame, in: Irina Papkova (Hg.), Reconciling the Irreconcilable, Vienna 2009: IWM Junior Visiting Fellows' Conferences, Vol. 24, online; gem. mit Gundula Ludwig, Die Politisierung des Alltäglichen. Stellungskrieg um Subjektformen, in: A.G.Gender-Killer (Herausgeber_innen), Das Gute Leben. Linke Perspektiven auf einen besseren Alltag, Münster 2007.