Städtische Architektur als Geschichte der Räume: die Theater von Helmer & Fellner
Gegen die vorwiegend raumlose Betrachtung von Architektur in der Kunstgeschichte der Nachkriegsjahrzehnte sind unter dem Einfluß kulturwissenschaftlicher Ansätze verstärkt Versuche zu beobachten, Architektur wieder als "Raumgestalterin" (Schmarsow) zu begreifen. Wenn es dabei weder um eine Neuauflage der wahrnehmungspsychologisch ausgerichteten "Einfühlungskunstgeschichte" des ausgehenden 19. Jahrhunderts gehen kann noch die formalen Eigenschaften von Architektur geleugnet werden sollen, ist es nötig, die symbolische Codierung architektonischer Räume zu bestimmen. Die Stadt im Umbruch zur Moderne liefert hier einen Rahmen, der neue Paradigmen des Räumlichen erzeugt und damit auch der Architektur andere Aufgaben zuweist. Am Beispiel der Theaterbauten von Helmer & Fellner wird deutlich, wie vorher festgelegte architektonische Formen nun als "Stilhülse" verfügbar werden: Auf hohem technischen Standard entstand eine sehr gleichartige Architektur für mehr als vierzig Orte zwischen Hamburg und Odessa, Zürich und Sofia. Der Erfolg des Ateliers beruhte auf der Strategie, die Theater in die jeweilige Stadt prägnant einzupassen, so daß damit der Raum eines sich endgültig etablierenden Bürgertums hervortrat. Dies mußte für andere Städte attraktiv sein, so daß die Architekturen in der weiteren Verbreitung mit zu der Vorstellung eines kulturell homogenen Mitteleuropa beitrugen. Während die bisherige Forschung monographisch oder ortsbezogen vorging, sollen hier die raumkonstituierenden Qualitäten der Theater von Helmer & Fellner untersucht werden. Da die Bauten auch in den ehemals sozialistischen Ländern bis heute bestehen, geht es überdies um eine Geschichte der Nachgeschichte und neue Fragen an die Stadt.
Wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl Theorie der Architektur, TU Cottbus
U. a. Die "schöne Ordnung" und der Hof. Geometrische Gartenkunst in Dresden und anderen deutschen Höfen (Weimar 2001) = Marburger Studien zur Kunst- und Kulturgeschichte, 2; Politische Räume: Stadt, Land, Architektur (Berlin, Akademie Verlag 2002); Das Aufzeichnen von Räumen: Architektur, Stadt und dynastische Erinnerung im frühmodernen Turin, in: Harald Tausch (Hg.): Gehäuse der Mnemosyne. Architektur als Schriftform der Erinnerung (Göttingen 2002)