Die Moderne als koloniale Kultur
Statt den Primitivismus der Moderne allein als Form der zweifelhaften Aneignung des außereuropäischen Fremden zu behandeln und imagologisch einzufrieren, gibt es auch die Möglichkeit, die verschiedenen Exotismen der Moderne- der Kolonisierten wie der Kolonisatoren -als Teil von Austauschprozessen zu verstehen, die aus der kolonialen Mobilität von Dingen, Zeichen und Personen entstanden waren. Die dabei erfundenen Synkretismen beruhten bereits auf einer entsprechenden kolonialen Mobilität, und sie erzeugten ihrerseits neue Formen der Mobilität, die bis heute fortwirken . Beispielsweise in der Musik (der durchschlagende Erfolg der synkopierten Musik seit dem "Black Atlantic"), im Bereich der Körpertechniken (Tanz, ostasiatische Körpertechniken) und Körperkunst (Tätowierung u. a.), in der bildenden Kunst (nach dem Primitivismus und seiner "Abstraktion") und in der Religionsgeschichte (die Vorgeschichte des NewAge, Diasporareligionen, Spiritismus). Je genauer man hinschaut, desto mehr erweisen sich die modernen Synkretismen gegenüber den postmodernen als prinzipiell wirkungsmächtiger und dezentrierter- auch in den weltliterarischen Erwartungen der Moderne gegenüber dem, was heute von der »Weltliteratur« erwartet wird. Der erste große Globalisierungsschub geschah im Zeitalter des Imperialismus. Es wird eine Frage der Zusammenschau verschiedenster kultureller Symptome sein, wie seine Betrachtung zur Revision der Modernetheorie und der Kulturgeschichte führt.
Wissenschaftlicher Koordinator der Forschungsstelle "Kulturtheorie und Theorie des politischen Imaginären" an der Universität Konstanz
U.a. mit Cornelia Epping-Jäger und Torsten Hahn (Hg.), Freund Feind & Verrat. Das politische Feld der Medien, Köln 2004; mit Jürgen Fohrmann (Hg.), Die Kommunikation der Medien, Tübingen 2004; Die Moderne im Spiegel des Primitiven, München 2005 (im Erscheinen).