Der Garten als kulturelle Praxis – ein Gegenwartsbefund
Was ist ein Garten, und was könnte ein Garten sein, und wann ist etwas kein Garten mehr? Wie lässt sich die kulturelle Praxis und Befindlichkeit beschreiben, aus der der Garten als ein vielgestaltiges und vieldeutiges work in progress hervorgeht? Als Sehnsuchtsort und Projektionsraum, als Arbeits- und Experimentierfeld, als ästhetisches Programm, Nutzfläche, Schausammlung, Konsumgut, architektonisches Gebilde, Naturreservat, Simulacrum, Entfaltungsraum für Menschen und Pflanzen. Solche Überlegungen stehen am Ausgang eines Forschungsvorhabens, das das Phänomen Garten im Kontext sozialer, ästhetischer, alltagskultureller und philosophischer Fragestellungen analysieren und beschreiben will. Stilgeschichtliche Lektüren und Implikationen werden herangezogen, das Thema Garten kulturtheoretisch und phänomenologisch neu zu befragen und zu differenzieren. Der Fokus richtet sich dabei auf den Garten der Gegenwart – auf Beispiele künstlerischer und alltäglicher Gartengestaltungen ebenso wie auf die Zuschreibungen und Deutungen, die der Garten in kulturellen Diskursen erfährt.
Zur Diskussion steht auch der mit aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen einhergehende Funktionswandel des Gartens, seine Bedeutung in urbanen Lebenszusammenhängen und schließlich sein Potenzial als ein symbolischer Raum mit Bodenhaftung, der sich als durchlässig erweist für verschiedenste Formen von Zeichenhaftigkeit und Interventionen. Hier öffnet sich die Perspektive auf Gärten, die abseits gesellschaftlicher Konventionen ihr exzentrisches Eigenleben entfalten: poetische jardins imaginaires, transitorische Gärten oder "Abfall"- und Künstlergärten, deren improvisatorischer und zeichenhafter Umgang mit Materialien und Ortsgegebenheiten den sozialen Raum öffnet für privatmythologische, ephemere und widerständige Einschreibungen.
Lehrbeauftragte am Institut für Germanistik der Universität Wien, Literatur- und Kulturwissenschafterin, Kuratorin
U. a.: Über die Ver-rückung der Sprache. Analytische Studien zu den Texten Alexanders, Wien 1989; Fallgeschichten. Krafft-Ebing – Panizza – Freud – Tausk, Wien 1995; Freuds pompejanische Muse. Beiträge zu Wilhelm Jensens Novelle "Gradiva". (gem. mit M. Rohrwasser u. a.), Wien 1996; Ablagerungen an der Schwelle. Der Garten als Deponie und Museum, in: Die Gartenkunst, Heft 2, 2003; Eigenwillige Handschriften. Ästhetische Strategien und Modelle weiblicher Autorschaft in der Sammlung Prinzhorn. Ausstellungskatalog "Irre ist weiblich", Heidelberg 2004.