Wissen im, Wissen vom Rausch - Figuren der Droge im wissenschaftlichen Experiment
Die Veränderbarkeit kognitiver Abläufe mittels psychoaktiver Substanzen fasziniert und regt ForscherInnen in Bereichen wie Psychiatrie, Neurologie oder pharmakologischer Grundlagenforschung zu Selbst-/Versuchen an. Daraus wird Wissen über die Drogen und im selben Zug aber auch Wissen über das Subjekt, das mit ihnen in einem Verhältnis der Interdependenz steht, hervorgebracht. Chemische Wirkstoffe scheinen auf diese Weise Einblick zu gewähren in die Mechanismen des menschlichen Bewusstseins.Das Drogenexperiment im wissenschaftlichen Setting steht jedoch vor ungewohnten Aufgaben. Es drängt an einen Punkt, an dem privilegierte Forschungsparadigmen und Darstellungsmodi der wissenschaftlichen Praxis aufgegeben werden müssen. Seine Ergebnisse sind nämlich auf Selbstzeugnisse, auf subjektive Berichte und Erzählungen des Rauschzustandes angewiesen. Dabei entstehen Darstellungen der Drogenwirkung, die zwischen den Antipoden "wissenschaftlicher" Faktizität und "literarischer" Fiktion oszillieren. Basierend auf diesem zwitterartigen Textmaterial, nimmt Jeannie Moser in ihrem Projekt das Wissen der Drogenforschung unter besonderer Berücksichtigung seiner poetologischen Bedingungen in den Blick. Sie untersucht Figuren, die der sprachliche Symbolapparat zur Verfügung stellt, um Drogen- und anthropologisches Wissen zu artikulieren. Entlang dieser Figuren kann gezeigt werden, wie im Kontext der Drogenforschung seit den 1940er-Jahren hochgradig bedeutsame Begriffe und Kategorien des kulturellen Selbstverständnisses neu besetzt werden. Basale Leitunterscheidungen wie Soma/Psyche und Künstliches/Natürliches, wie Selbstbestimmung/stoffliche Determination oder Halluzination/Wirklichkeit stehen zur Verhandlung - dabei ergeben sich paradigmatische Reformulierungen des Subjekts.
Jeannie Moser studierte Deutsche Philologie und Spanisch an den Universitäten Hamburg, Wien und Madrid. Von 2004 bis 2007 war sie Stipendiatin am Konstanzer Graduiertenkolleg "Die Figur des Dritten".
Poetologien | Rhetoriken des Wissens. Einleitung, in: Arne Höcker, Jeannie Moser, Philippe Weber (Hg.), Wissen. Erzählen. Narrative der Humanwissenschaften, Bielefeld 2006, S. 11-16; Die Metamorphosen des Dämons. Figurationen eines epistemischen Dings bei Albert Hofmann, in: Michael C. Frank, Bettina Gockel, Thomas Hauschild, Dorothee Kimmich, Kirsten Mahlke (Hg.), ZfK - Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Bd. 1.: Fremde Dinge, Bielefeld 2007, S. 99-108.
Mit Trumpismus und ‚Querdenken‘ ist Misstrauen in aller Munde. Doch welches Misstrauen wird auf dem Feld des Wissens und des Politischen ins Spiel gebracht? Überraschenderweise gewinnen diese Bewegungen diskursive Schlagkraft, indem sie lang kultivierte, angesehene Misstrauensprozeduren unverfroren für sich reklamieren. Von Jeannie Moser.
https://geschichtedergegenwart.ch/das-gekaperte-misstrauen-zu-trumpismus-und-querdenken/