Emotional Democracy – an Aesthetic Approach
Schon seit längerem bezweifeln die Philosophie, die Sozialwissenschaften und zuletzt die Neurowissenschaften die allgemeine Prämisse, dass Vernunft und Gefühle einander ausschließen. Und sie bezweifeln die spezifische Konsequenz, dass Demokratie und Gefühle einander ausschließen. Innerhalb der Philosophie haben sich in diesem Zusammenhang verschiedene Modelle herausgebildet. Stets steht dabei die notwendige und angemessene Transformation der Gefühle im Zentrum. In meinem Forschungsprojekt lege ich den Schwerpunkt auf das ästhetische Modell. Und eine besondere Rolle spielt dabei Kants Analyse der Urteilskraft. In ästhetischen Angelegenheiten zu streiten bedeutet demnach, die Vergemeinschaftung von Gegensätzen zu ermöglichen. Es ist charakteristisch für ästhetische Erfahrungen, dass sie ihre Kraft aus dem Zusammenspiel eines Gegensatzes (Sinnlichkeit und Vernunft, Sinn und Unsinn) gewinnen, das die Verallgemeinerung einer Emotion möglich macht. Deshalb ist das Streiten in Sachen des „Geschmacks“ belangreich auch für eine lebendige Demokratie.
Josef Früchtl studierte Philosophie, Germanistik und Soziologie in Frankfurt/Main und Paris; 1996 Professur für Philosophie mit dem Schwerpunkt Ästhetik und Kulturtheorie an der Universität Münster; 2002–2005 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik; seit 2005 Professor für Philosophy of Art and Culture an der Universität von Amsterdam; Forschungsschwerpunkte sind die philosophische Ästhetik, Theorien der Moderne, Kritische Theorie der Kultur sowie der Kulturwissenschaften und Philosophie des Films.
Vertrauen in die Welt. Eine Philosophie des Films, München 2013; englische Ausgabe als: The Impertinent Self. A Heroic History of Modernity, Chicago 2009; Das unverschämte Ich. Eine Heldengeschichte der Moderne, Frankfurt/Main 2004; gem. mit Jörg Zimmermann (Hg.), Ästhetik der Inszenierung, Frankfurt/Main 2001; Ästhetische Erfahrung und moralisches Urteil. Eine Rehabilitierung, Frankfurt/Main1996.
Wenn es um Gefühle geht, ist die Frage heute nicht mehr, ob, sondern in welchem Sinn sie eine Rolle im demokratischen Streit spielen. Wie sollten wir mit Gefühlen umgehen, denen wir in der öffentlichen Rede Raum geben müssen? Es empfiehlt sich, über politische Gefühle wie über den Geschmack zu streiten.