"… what I have seen with your Eyes" Zum außermenschlichen Blick im Sciencefictionfilm
Von jeher hat sich Film für die Bildproduktion des Phantastischen angeboten. Die dunkle Höhle als Projektionsstätte wird zum kollektiven Halluzinationsraum. Seit den siebziger Jahren hat sich Sciencefiction innerhalb des Genresystems des Hollywoodfilms einen festen Platz erobert. In ästhetischer Nähe zu Action und Horror Film gelingt es dem Genre, größere gesellschaftliche Panoramen zu entwerfen, für die es in "realistischeren" Genres keinen Ort gibt. Und dies hat ästhetische, soziale und strukturelle Gründe. Der Status quo der sozialen Ordnung stellt sich innerhalb des kommerziellen Spielfilms hinreichend durch das private Verhalten der Individuen dar. Gerade weil die Norm greift, ist der Privatmensch die beste Verkörperung des Sozialen. Im Sciencefictiongenre aber kann innerhalb der Projektion einer möglichen Zukunft oder einer möglichen anderen Welt die Gesellschaft als Ganzes problematisiert werden. Elementare Funktionen wie Sexualität, Fortpflanzung, Familie können zur Disposition gestellt werden – und das gerade auch im Unterhaltungsfilm. Das Projekt privilegiert bewusst den kommerziellen Hollywoodspielfilm seit 1980, weil hier erstens Kino als kollektiver Projektionsraum eines breiten Publikums adressierbar wird und zweitens aufgrund der Größe des Apparats ästhetisch-technische Steigerungsfiguren und große soziopolitische Visionen einander gegenseitig bedingen.
Die Figur der außermenschlichen Intelligenz gehört zu den spezifischen Merkmalen des Genres. In intelligent handelnden Aliens und Androiden erwächst den menschlichen AkteurInnen eine Konkurrenz, die ihren typisch neuzeitlichen Anspruch auf Weltregierung herausfordert. Während die klassische Projektionsfigur der Kommunismusangst des Kalten Krieges auf den Alien noch relativ eindeutig codiert war, entwickeln sich seit den siebziger Jahren ambivalente Entwürfe, in denen sich Sehnsucht nach und Angst vor dem Alien überlagern. Paranoia entwirft den Alien als Herausforderung jeglicher Weltmachtphantasie, die aber sich selbst gleichsam aus der Alienperspektive inszenieren muss, um der territorialen Macht Genüge zu tun. Der gefürchtete und bekämpfte Alien ist immer schon in das System eingedrungen, das ihn abwehren will. Und so kippt die Perspektive in die Sehnsucht nach einem fernen Spiegel, der jene sogar therapeutische Begleiterfunktion für das menschliche Wesen erfüllen könnte, die einst der Mythologie zukam.
Kulturtheoretikerin, Performance-Künstlerin und Dramaturgin, Wien
U. a.: Heilige, Gewänder. Analysen in Kunstwerken. Wien 1994; "Re-Membering Le Sacre", in: Krassimira Kruschkova und Nele Lipp (Hg.), Tanz anderswo: intra- und interkulturell, Jahrbuch Tanzforschung, Bd. 14, Münster/Hamburg/Berlin/Wien/London 2004. Diverse Video- und Peformance-Projekte, u. a.: "Faun-Montagen" (1999-2004) und "A Piece Keeping Force" (2004/2005), "Begründen kann man’s nur in Wean", Sing- und Talkshow zum Wienerlied (05/2005 TQW); Stadt Theater Wien (zuletzt "Tribunal", 02/2005) und seit 2003 mit Chris Haring ("Fremdkörper").