Phantasmagorien der Rückkehr. Ursprungsphantasmen der zweiten und dritten Generation türkischer MigrantInnen in Deutschland (am Beispiel der Filme Fatih Akins)
Der aktuelle BTWH-Schwerpunkt "Destinations of Desire – Routes of Agency" stellt die Frage nach der Poetik und Politik transnationaler und transkultureller Mobilität, und dies insbesondere unter dem Aspekt imaginärer Vorleistungen und Diskurse, welche den Migrationsbewegungen (als Motivationen) vorausliegen. Im Rahmen dieses Schwerpunktes untersucht nun Klaus Müller-Richters Teilprojekt die komplexe Semiotik und Pragmatik von Rückkehr- und Ursprungsphantasmen, die Ausbildung neuer Mythographien imaginierter Heimat und Imagologien der Re-Migration, wie sie der zweiten und dritten Generation türkischer MigrantInnen in den Massenmedien zugeschrieben werden. Ausgehen wird er dabei von den überaus erfolgreichen Filmen Fatih Akins "Kurz und schmerzlos", "Im Juli", "Gegen die Wand" und "Crossing the Bridge – The Sound of Istanbul" und deren Presseecho sowohl in Deutschland als auch in der Türkei. Ist bereits für die erste Generation der türkischen Gastarbeiter die Idee der türkischen Heimat komplexen sentimentalen Verschiebungen unterworfen und wäre auf diskursiver Ebene nach dem (machtdispositiven) Stellenwert dieser Möglichkeit einer Rückkehr in die Türkei, mithin der Idee einer nur transitorischen Diaspora zu fragen, so wandelt sich für die zweite und dritte Generation türkischer MigrantInnen der Topos einer Rückkehr in die Türkei zu einer multipel besetzbaren Phantasmagorie. Der Topos der Rückkehr ist phantasmagoreisch allein schon dadurch, dass er die "Rückkehr" in ein Land imaginiert, das man nie verlassen und verloren hat, und in eine Gesellschaftsform, die für die eigene Subjektkonstitution nicht oder nur vermittelt über die nostalgischen Symbolwelten der Elterngeneration Bedeutung gewinnen kann. Arjun Appadurai spricht in seinem Essay "Modernity at Large. Cultural Dimension of Globalization" treffend von einer "nostalgia without memory". Das Projekt untersucht die Verbindungen der Filme Akins zu diesem Diskurskomplex der Migration bzw. Re-Migration und die symbolischen Prozesse, die bei der Ausbildung dieser Mythographie der Heimkehr in das Ursprungsdorf am Werke sind. Es untersucht darüber hinaus die Strategien der Authentifizierung und die Strategien des Realen (Baudrillard), die Akin zur Konturierung sowohl deutscher als auch türkischer (Heimat-)Orte einsetzt.
Dr. phil.
U.a.: Reisen in der Stadt. Überlegungen zum Entdeckungs- und Explorationsparadigma in den Stadtbeschreibungen des 19. Jahrhunderts, in: Martin Schäfer u.a. (Hg.), Von hier nach _____ (Medium). Reisezeugnis und Mediendifferenz, LIT Verlag, Münster, 2004, S. 107–124; Die Phantasmagorie des Praters. Ein Versuch über urbane Raum-, Geh-, Schreib- und Sehweisen, in: Siegfried Mattl, Klaus Müller-Richter, Werner Schwarz (Hg.), Felix Salten, Wurstelprater. Ein Schlüsseltext der Wiener Moderne. Mit Originalaufnahmen von Emil Mayer, Promedia Verlag, Wien 2004; (zusammen mit Kristin Kopp), Kulturhistorische Beute. Das Primitive im Feuilleton, in: Klaus Müller-Richter, Kristin Kopp (Hg.), Die Großstadt und das Primitive – Text, Politik und Repräsentation, Metzler, Stuttgart 2004, S. 115–134; Die Großstadt und das Primitive. Einleitung, in: ebd., S. 5–28.