Geschichte im Körper
Medienberichte über immer neue älteste Hominidenahnen, Dokumentarfilme, die mithilfe modernster Animatronik und Digitaleffekte das Leben unserer fossilen Vorfahren nachbilden, prähistorische Science-Fiction-Filme und -Romane sowie Big-Brother-Experimente zum Leben in der Steinzeit sind Ausdruck eines tiefengeschichtlichen Interesses. Dieses zeigt sich auch in Bezug auf humanpopulationsgenetische Großprojekte und die kommerzialisierte genetische Genealogie. In meiner Forschung untersuche ich den Beitrag, den Paläoanthropologie, Evolutionsbiologie und molekulare Anthropologie seit 1900 zu Erinnerungskulturen leisten. Entlang eines wissenshistorischen Ansatzes interessieren mich insbesondere Prozesse der Medialisierung, Inszenierung, Zirkulation und Rezeption in Bezug auf narrative und visuelle Rekonstruktionen der Vorzeit: Wirken Publikationen, Ausstellungen und Webplattformen orientierungs-, identitäts- und sinnstiftend? Und welche Übersetzungsleistungen sind in der Herstellung von lebendigen Geschichtsangeboten aus Knochen, Organismen und Molekülen respektive in deren Aneignung in anderen Disziplinen und in der Öffentlichkeit zu erbringen?
Marianne Sommer studierte Anglistik und Biologie und wandte sich in ihrer Dissertation und als Graduierte am Collegium Helveticum der ETH Zürich der Wissenschaftsgeschichte zu. Es folgten zwei Jahre als Walther-Rathenau-Postdoktorandin am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin und mit einem Postdoc-Stipendium der amerikanischen National Science Foundation zwei Jahre an der Pennsylvania State University im „Science, Medicine and Technology in Culture“-Programm. Danach hielt sie eine Oberassistenz an der Professur für Wissenschaftsforschung der ETH Zürich inne, wo sie in Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftsforschung habilitierte. 2010 ging Sommer mit einer Förderungsprofessur des Schweizerischen Nationalfonds an die Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität Zürich.
(u. a.): gem. mit Gesine Krüger (Hg.), Biohistorische Anthropologie. Knochen, Körper und DNA in Erinnerungskulturen, Berlin 2011; gem. mit Gesine Krüger und Ruth Mayer (Hg.), Ich Tarzan. Affenmenschen und Menschenaffen zwischen Science und Fiction, Bielefeld 2008; Bones and Ochre. The Curious Afterlife of the Red Lady of Paviland, Cambridge 2007; Foremost in Creation. Anthropomorphism and Anthropocentrism in National Geographic Articles on Non-human Primates, Bern 2000.
Die Kulturwissenschafterin und Wissenschaftsforscherin Marianne Sommer behandelt in ihrem Vortrag Programm, gesellschaftliche Ausrichtung und Geschichte des Londoner Zoos unter der Leitung des Verhaltensforschers Julian Huxley (1935–42).