Music City under Construction. Konstruktionen kollektiver Identitäten über den Topos "Musikstadt Wien" um 1900
Das im Jahr 2000 eröffnete Haus der Musik Wien leitet sein Mission Statement mit dem Satz "Wien ist die Welthauptstadt der Musik" ein; die 2001 initiierte Musik Meile Wien bewirbt ihren "Walk of Fame der klassischen Musik" mit dem "einzigartigen Flair der Stadt der Musik". Beide Projekte stellen nur die jüngsten Produkte eines bereits längeren Prozesses der materiellen und diskursiven Verfestigung eines Stadtimages dar, das nicht nur international zu den zentralen Wien-Bildern zählt, sondern auch im Selbstverständnis der Stadt Wien und der "Kulturnation Österreich" einen gewichtigen Stellenwert einnimmt. Während erste Arbeiten für die Zeit der Ersten Republik, des Austrofaschismus und der frühen Zweiten Republik zeigen, daß das Image der "Musikstadt" vor allem in Krisen- und Umbruchsituationen im 20. Jahrhundert eine zentrale Rolle als Medium unterschiedlicher Identitätspolitiken spielte, ist die Frage, inwieweit hierbei bereits auf ein spezifisches Set von Identifikations- und Funktionalisierungsmustern aus der Zeit vor 1918 zurückgegriffen werden konnte, noch weitgehend unbeantwortet.
Welchen Stellenwert das Selbstverständnis als "Musikstadt" für die Konstruktion kollektiver Identitäten bereits um 1900 einnahm, welche Konzepte und Bilder damit verknüpft waren und welche sozialen Gruppen mittels welcher diskursiven Strategien und konkreter Repräsentationen versuchten, diese Bilder als zentrales Image der Stadt zu etablieren, untersucht dieses Projekt anhand der Analyse symbolischer Akte im öffentlichen Raum: In den materiellen Zeichensetzungen (Musikbauten, Musikerdenkmäler), mit denen das Selbstbild Wiens als "Musikstadt" um 1900 in die Topographie der Stadt eingeschrieben wurde, aber auch in Inszenierungen großer öffentlicher Musikereignisse (Musikfeste, -ausstellungen) manifestiert sich besonders deutlich, welche Konzepte nationaler, lokaler/urbaner und sozialer Identität über Musik transportiert und – verfestigt im Bild der "Musikstadt" – im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert werden sollten.
Mag. phil., geboren 1976 in Klagenfurt, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Spezialforschungsbereich "Moderne – Wien und Zentraleuropa um 1900" (Fachbereich Zeitgeschichte) an der Universität Graz, Studium der Geschichte und Fächerkombination Angewandte Kulturwissenschaften/ Kulturmanagement an der Universität Graz und an der University of Edinburgh
Der Topos "Musikstadt Wien" um 1900, in: newsletter MODERNE. Zeitschrift des Spezialforschungsbereichs "Moderne – Wien und Zentraleuropa um 1900" 4/1 (2001), S. 20–23 (siehe auch: http://www.kakanien.ac.at/beitr/fallstudie/MNussbaumer1.pdf, 14.8.2003); Millennium revisited. Inszenierungen von Geschichte und Identität im "Ostarrichi"-Jubiläumsjahr 1996, in: zeitgeschichte 28/5 (2001), S. 254–276; "… im gesegneten Lande der Erfindungen so wenig musikalische Erfindung …": Perceptions of American Musical Culture in Vienna around 1900, in: Susan Ingram, Markus Reisenleitner, Cornelia Szabó-Knotik (Hg.): Reverberations. Representations of Modernity, Tradition and Cultural Value in-between Central Europe and North America (Frankfurt/M. u. a. 2002), S. 41–62; Musik im "Kulturkrieg". Politische Funktionalisierung von Musikkultur in Österreich 1914–1918, in: Petra Ernst, Sabine A. Haring, Werner Suppanz (Hg.): Aggression und Katharsis. Der Erste Weltkrieg im Diskurs der Moderne (Wien 2003, im Erscheinen)