Elektrologie. Fiktionen der Elektrizität 1800/1900
In der Elektrizitätslehre könne "man der Einbildungskraft freien Lauf lassen, in der Vorstellung der Art und Weise, wie eine unsichtbar wirkende Ursache eine fast unendliche Mannigfaltigkeit von sichtbaren Wirkungen hervorbringe", formuliert der Physiker Joseph Priestley 1772. Dieser spezifische Erscheinungs- und Wirkungscharakter der Elektrizität bildet die Basis für das epistemologische Projekt einer "Electrologie" (Novalis). In dieser werden die Grundbedingungen und -verhältnisse eines Wissens von der Elektrizität beschrieben, das auf den Fiktionen der Wissenschaften, der allgemeinen und populären Literatur sowie der Künste beruht. Seit dem zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts treten vermehrt Zusammenhänge auf, in denen jeweils verschiedene Bereiche und Aspekte von "Elektrizität" verkoppelt sind. Besonders brisant und komplex werden die Verhältnisse aber durch die funktionale Ausdifferenzierung und die damit verbundene Entgegensetzung der Wissensformen. Historisch konzentriert sich die vorliegende Untersuchung auf ein "langes 19. Jahrhundert", das im ausgehenden 18. Jahrhundert mit der Autonomisierung der Wissenschaften und der Dichtung seinen Anfang nimmt und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts endet, wenn sich die Literatur und die Künste in ein neues System der (elektrisch induzierten) Medien einordnen und sich damit auch wissenspoetologisch neu orientieren. Zuvor aber entwickeln Wissenschaft und schöne Literatur spezifische Verfahrensweisen der Be- und Verarbeitung von Erfahrungen und Erkenntnissen sowie je eigene Darstellungsarten des Wissens – und halten trotzdem verschiedenste gegenseitige Beziehungsverhältnisse aufrecht. Experimentelle Befunde, technische Effekte, interdiskursive Austauschprozesse, literarische und künstlerische Darstellungen sowie ein kollektives Imaginäres bringen so zusammen dasjenige hervor, was in den jeweiligen historischen Konstellationen "Elektrizität" genannt wird. "Elektrizität" erweist sich dabei als diskursiv überaus anschlussfähiges und vielseitig aufladbares Konzept, das bis in die Theorie und Praxis literarischer Semiotik seine Wirkung entfaltet.
"Die Natur ist republikanisch". Zu den ästhetischen, anthropologischen und politischen Konzepten der deutschen Gartenliteratur im 18. Jahrhundert, Würzburg 1998; (Hg. zusammen mit Hans-Georg von Arburg, Ulrich Stadler), Wunderliche Figuren. Über die Lesbarkeit von Chiffrenschriften, Fink, München 2001; Die Schweiz in Form. Sport und Nation in einem kleinen Land, Zürich 2005.