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Architektur & Verbrechen. Crime does not pay!
Falsch, schreibt Karl Marx, Verbrechen zahlt sich aus, zwar nicht immer für die VerbrecherInnen und schon gar nicht für deren bedauernswerte Opfer, sehr wohl aber für die Volkswirtschaft einer Gesellschaft, bringt doch das Verbrechen auch alle gegen es selbst gerichteten Maßnahmen, Institutionen und Diskurse hervor: die Polizei, das Strafrecht, die Strafjustiz, das Gefängnis, und nicht zuletzt alle Erzählungen über das Verbrechen, in der Kriminalberichterstattung in Massenmedien, in wissenschaftlichen Publikationen und in den schönen Künsten. Es sind die VerbrecherInnen, die das dominante Moral- und Wertesystem erhalten, denn die eigene Normalität läßt sich in der Regel erst durch die Kriminalisierung und Ausgrenzung des Abweichenden herstellen.Die Angst, die von kriminalisierter Devianz, durch reales oder auch nur imaginiertes Verbrechen evoziert wird, bildet sich in unzähligen präventiven bautechnischen, architektonischen und städtebaulichen Maßnahmen ab: Fortifikationsanlagen gegen die Feinde von außen, Kontrollarchitekturen gegen die Feinde von innen. Das vermeintliche Verbrechen eröffnet so einen beträchtlichen Markt, es trägt – so Karl Marx – mehr zur Vermehrung des Nationalreichtums bei als so manch anständigeres Gewerbe, und wenn es einmal zu verschwinden droht, so wird es eben neu erfunden – von den NutznießerInnen der Angst: von PolizistInnen, PolitikerInnen und PlanerInnen, von der Baustoff-, Sicherheits- und Versicherungsindustrie.
Universitätsassistent am Institut für Gebäudelehre und Wohnbau, Technische Universität Graz
U.a. Freiwillige Selbstkontrolle - Zur Diffussion amerikanischer Sicherheitsdiskurse in der Wiener Stadtplanung, in: derivé, Zeitschrift für Stadtforschung (Wien 2000); Real Crime. Ausstellung und Symposium im Forum Stadtpark Graz, steirischer herbst 2001;Real Crime. Architektur und Verbrechen (Wien: edition selene 2001); Traditionen Sozialer Kontrolle. Vom Roten Wien zu aktuellen Gentrifizierungsprozessen, in: Kari Jormakka und Dörte Kuhlmann (Hg.): Building Gender, Bd. 2 (Wien 2003); Real Crime. Architektur, Stadt und Verbrechen (Wien 2003)