Goethes ästhetische Schriften
Das Hauptinteresse meiner Zusammenarbeit mit Prof. Burgard liegt im methodologischen Bereich, nämlich in der Auseinandersetzung mit den (in Europa noch wenig bekannten) Methoden der neueren amerikanischen Literaturwissenschaft, insbesondere mit dem von Burgard in zahlreichen Publikationen vertretenen literaturwissenschaftlichen Zweig des Poststrukturalismus. Ein besonderer Glücksfall besteht für mich in dem Umstand, daß Prof. Burgard in seinem Buch Idioms of Uncertainty. Goethe and the Essay (University Park, Pennsylvania, 1992) sowie in einigen unselbständigen Veröffentlichungen den selben Objektbereich bearbeitet hat, der auch meiner Dissertation an der Freien Universität Berlin (Betreuer: Prof. Hans-Jürgen Schings) zugrundeliegen wird. Nicht zuletzt aus diesem Grund sind Probleme der Goetheschen Schriften zur Ästhetik ein weiterer Schwerpunkt des Junior Fellowships, welches mir erlaubt, mich erstmals intensiv und unter einer neuen Perspektive mit dem Arbeitsbereich meiner Dissertation zu beschäftigen.
Im Gegensatz zu den vorliegenden Studien über Goethes ästhetische Schriften soll die Untersuchung, die sich - obwohl sozialwissenschaftlich interessiert - zuallererst an die den historischen Texten eingeschriebenen Prämissen (als historische intentio operis) sowie den jeweiligen 'point de vue de l'auteur' (Pierre Bourdieu) hält (d.h. nicht bloß an die intentio auctoris), Goethes spezifischen Beitrag zur Entwicklung einer modernen, autonomen Ästhetik historisch-philosophisch und zugleich diskursanalytisch rekonstruieren. In zwei Arbeitsschritten wird die in der ständigen polemischen Auseinandersetzung mit anderen zeitgenössischen Positionen entstandene dialogische, nicht systematische, doch historisch äußerst wirkungsmächtige ästhetische Theorie Goethes in ihrer inneren Chronologie sowie ihrem ideengeschichtlichen Kontext erarbeitet und dann anband einer systematischen Ausweitung des Textkorpus auf pragmatische und biographische Quellen nach ihren allfälligen strategischen, etwa didaktischen oder kulturpolitischen (und nicht notwendig bewußt intendierten) Motiven und Funktionen befragt.
Norbert Christian WOLF, Mag., geb. 1970 in Innsbruck, Studium der Germanistik, Geschichte und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft in Wien, Paris und Berlin; Diplomarbeit über literatursoziologische Probleme der josephinischen Aufklärung (Univ. Wien), wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Forschungsprojekt zur Österreichischen Literatur des 18. Jahrhunderts an der Universität Wien (Leitung: Univ.Doz. Dr. Franz Eybl), dazu auch Publikationen.