Politisch-religiöse Begegnungen und lokale Symbiosen im Mittelmeerraum
Seit dem 11. September 2001 beschäftigt sich Thomas Hauschild damit, Kulte und Magien im Mittelmeerraum zu sortieren, ihre Ähnlichkeiten zu erkennen und Chancen eines interreligiösen Friedens im Mittelmeerraum abzuschätzen.
So hat die Beschäftigung mit der Vorgeschichte des Al-Qaida-Anschlages auf die älteste Synagoge Nordafrikas auf der Insel Djerba (2002) gezeigt, daß der Anschlag nicht nur auf "judenfreundliche" deutsche TouristInnen zielte, sondern auch auf das letzte große von JüdInnen, MuslimInnen und ChristInnen gemeinsam gefeierte traditionale religiöse Festival Nordafrikas. Es sollte wenige Tage nach dem Anschlag stattfinden. Ebenso erwies sich, daß sich der spanische Flamenco als "survival" nordafrikanischer Trancekulte deuten läßt, daß in vielen nordafrikanischen ekstatischen Kulten Bilder auftauchen, die doch angeblich in der bilderlosen Religion Islam inexistent sind, und daß es von Syrien bis nach Südfrankreich weiterhin islamische und christliche Heiligenkulte gibt, die von Anhängern und besonders von Anhängerinnen aller drei Religionen besucht werden.
Auf der theoretischen Ebene sind Fragen von körperlicher Spontaneität und kultureller Bahnung neu zu überdenken. Thomas Hauschilds Studien stehen z. B. merkwürdig quer zu Michel Foucaults populären Thesen über Klassifikation und Macht im medizinisch-religiösen Bereich und zum Performance-Ansatz der Analyse von Kunstformen, Ritualen und Politiken. Am IFK wird Thomas Hauschild sechs ausgesuchte mediterrane Kultphänomene breit literarisch dokumentieren und das Zeitlos-Körperliche, das Historisch-Spezifische und das Performativ-Politische dieser Kulte im Einzelnen bestimmen.
Professor für Ethnologie an der Universität Tübingen
U.a. Lebenslust und Fremdenfurcht, Frankfurt/M. 1995; Magie und Macht in Italien, Berlin 2002; (als Hg. gemeinsam mit Bernd Jürgen Warneken) Inspecting Germany – Internationale Deutschland-Ethnographie der Gegenwart, Berlin 2002