Vieldeutige Vergangenheit: Zu kulturellen Repräsentationen des Nationalsozialismus und ihrer Aneignung in Nachkriegsdeutschland
Der cultural turn in der Zeitgeschichte hat zutage gefördert, daß Nationalsozialismus, Krieg und Völkermord im Nachkriegsdeutschland nicht ausschließlich beschwiegen und verdrängt, sondern auf dem Gebiet der Massenkultur sehr wohl thematisiert wurden. Dieses Projekt fragt nach den Wirkungen ausgewählter kultureller Versuche einer "Vergangenheitsbewältigung", nach möglichen Lesarten, nach dominanten und eigensinnigen Interpretationen sowie nach markanten Leerstellen in der Wahrnehmung des zeitgenössischen Publikums. Wie reagierten Deutsche, wenn die Alliierten sie kurz nach Kriegsende zwangen, sich einen Dokumentarfilm über die Befreiung von Konzentrationslagern anzuschauen? Ließ sich auf diesem Weg ein schlechtes Gewissen erzeugen? Oder war es vielversprechender, im unterhaltenden Genre des Spielfilms zu selbstkritischem Wiedererkennen einzuladen? Wie wurden fiktive Figuren wie der Mitläufer oder der Kriegsverbrecher vom Publikum aufgenommen? Die Fallstudien werfen Schlaglichter auf Umgangsweisen mit der NS-Vergangenheit und erlauben Thesen darüber, wie Kulturaneignung funktioniert und mithilfe welcher methodischer Verfahren sie sinnvoll erforscht werden kann.
Dr. phil., studierte Geschichte, Germanistik und Erziehungswissenschaft an der Universität Harnburg und ist derzeit Habilitationsstipendiatin des Berliner Programms zur Förderung der Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre.
U.a. mit Edgar Wolfrum (Hg.), "Bestien" und "Befehlsempfänger". Frauen und Männer in NS-Prozessen nach 1945, Göttingen 2003; mit Barbara Duden, Karen Hagemann und Regina Schulte (Hg.), Geschichte in Geschichten. Ein historisches Lesebuch, Frankfurt/M./New York 2003; Zwischen Häuslichkeit und Öffentlichkeit. Die ersten deutschen Frauenzeitschriften im späten 18. Jahrhundert und ihr Publikum (= Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 61), Tübingen 1998.