Ana Mijić geht im Rahmen ihres Forschungsprojekts „Verletzte Identitäten? Zur Transformation von Deutungsmustern in Bosnien und Herzegowina des Nachkriegs“ der Frage nach, wie Menschen angesichts „verlorener Gewissheiten“ ihr Selbstbild (neu) konstruieren.
Die im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen in Bosnien und Herzegowina gefestigten ethnischen Selbst- und Fremdbilder waren stets mit dem Glauben an die moralische Überlegenheit der je eigenen ethnischen Gruppe verbunden. Dieser Glaube gerät im „Nachkrieg“ aufgrund der Konfrontation mit alternativen Wirklichkeitsbestimmungen unter einen neuen Begründungszwang. Es stellt sich die Frage, wie die betroffenen AkteurInnen dieser Herausforderung begegnen, d. h. welche Strategien sie zur Anwendung bringen, um vor dem Hintergrund einer Delegitimierung des „eigenen Gruppencharismas“ (Norbert Elias) auch weiterhin ein positives Selbstbild aufrechtzuerhalten. Eine hermeneutische Analyse von Interviews, in denen Menschen aus verschiedenen Regionen in Bosnien und Herzegowina ihre Geschichte erzählen, bringt zutage, dass die Konstruktion der eigenen Identität im Wesentlichen über die Konstruktion des Selbst und der Wir-Gruppe als Opfer verläuft. Das Sich-zum-Opfer-Machen immunisiert gegen Infragestellungen des „Wir-Ideals“ und dient damit als Identitätsstabilisator.
Ort: IFK
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