Marginalität, Außenseitertum: Jene besondere gesellschaftliche Situation, die dem Juden, dem Homosexuellen oder auch dem Konvertiten gemeinsam ist, kennzeichnet viele der Autoren, mit welchen Benjamin sich befasst hat – z. B. Proust, Jouhandeau oder Green.
Diese Situation eröffnet ihnen die Möglichkeit, von außen zu beobachten und zu beunruhigen („inquiéter“, wie Gide sagt) – kritische Fähigkeiten, die Benjamin für entscheidend hält. Die Frage ist allerdings, inwiefern dieses Vermögen als kritischer Maßstab benutzt werden kann und inwiefern es darüber hinaus mit Benjamins ausgeprägtem Interesse für rechte Denker, die sogenannten „Nonkonformisten“ der 1930er-Jahre zu tun hat. Das Urteil, das er schließlich über die Mitglieder des Collège de Sociologie – Alexandre Kojève, Georges Bataille, Roger Caillois – fällen wird, kann durchaus als Einsicht in die politischen Gefahren der Denkexperimente der 1930er-Jahre und in die Aussichtslosigkeit seines eigenen „positiven Barbarentums“ interpretiert werden.
Gérard Raulet ist Professor an der Sorbonne (Lehrstuhl für deutsche Ideengeschichte) und Leiter des Forschungsprogramms über die politische Kultur der Weimarer Republik an der Stiftung Maison des Sciences de l’Homme. Veröffentlichungen über die Aufklärung, über zeitgenössische politische Philosophie und über die Kritische Theorie. Im WS 2018/19 hat er ein IFK_Senior Fellowship inne.
Publikationen (u. a.): „Mimesis. Über anthropologische Motive bei Walter Benjamin – Ansätze zu einer anthropologischen kritischen Theorie“, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 64/4 (2016), S. 581 – 602; gem. mit Sarah Schmidt (Hg.), Wissen in Bewegung. Theoriebildung unter dem Fokus von Entgrenzung und Grenzziehung, Berlin 2014; gem. mit Guillaume Plas (Hg.), Philosophische Anthropologie nach 1945. Rezeption und Fortwirkung, Nordhausen 2014; gem. mit Guillaume Plas und Manfred Gangl (Hg.), Philosophische Anthropologie und Politik, Nordhausen 2013; Republikanische Legitimität und politische Philosophie heute, Münster 2012; (Hg.), Walter Benjamin: Werke und Nachlaß. Kritische Gesamtausgabe, Bd. XIX: Über den Begriff der Geschichte, Frankfurt/M. 2010; (Hg.), Walter Benjamin: Passagen. Schriften zur französischen Literatur, Frankfurt/M. 2007; Das Zwischenreich der symbolischen Formen. Ernst Cassirers Erkenntnistheorie, Ethik und Politik im Spannungsfeld von Historismus und Neukantianismus, Frankfurt/M. 2005; Critical Cosmology. Essays on Nations and Globalization, Lanham, MD 2005; Positive Barbarei. Kulturphilosophie und Politik bei Walter Benjamin, Münster 2004.
Ort: IFK
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