Die Verwaltung „Kakaniens“ hat Robert Musil einst mit liebevoller Ironie „die beste Bürokratie Europas“ genannt. Als eine Art rationalisierter und demokratisierter Inquisition hat sie hingegen der Jurist Albert Drach erfahren. Seine Romane machen der Bürokratie und ihren Nachwirkungen bis in die Zweite Republik auf eigentümliche Weise den Prozess. Ein Vortrag von Burkhardt Wolf.
Wiederholt hat man von einer besonderen Affinität zwischen der habsburgischen Verwaltung und den Schreibweisen österreichischer Autoren gesprochen. Albert Drachs Erzähltexte nehmen diesen Befund beim Wort: Sie üben sich in einer Art performativer Parallelaktion zwischen aktenmäßiger und literarischer Schriftführung. Seine Form teilnehmender Protokollierung ist dabei aber nicht nur in den kakanischenTraditionen begründet. Amt und Leben scheinen nämlich im Zuge der dauernden Reform und Demokratisierung der Nachkriegsbürokratien zusehends zur Deckung zu kommen. Eben diese verwaltungsgeschichtliche Entwicklung buchstabiert Drach in der „Untersuchung an Mädeln“ bis zu dem Extrem aus, da bürokratische Entscheidungen mit dem gesunden Volksempfinden weitgehend zusammenfallen. Die Möglichkeit immanent-literarischer Bürokratiekritik sondieren seine Protokolle zweiter Ordnung dadurch, dass sie der Herrschaft des Aktenverkehrs am Punkt ihres sprachlichen Betriebsgeheimnisses Herr zu werden versuchen.
Die Arbeiten von Burkhardt Wolf sind v. a. der Wissensgeschichte der Literatur gewidmet. Sie umfassen Themenschwerpunkte wie: Literatur, Ökonomie und Sozialtechnologien, die Kulturgeschichte der Seefahrt, die Mentalitätsgeschichte von Gewalt und Religion oder die Ästhetik und Diskursgeschichte von Gefahr und Risiko. Derzeit ist er IFK_Research Fellow.
Ort: IFK
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