Die französischen Praktiken der höheren Diplomatie des 18. Jahrhunderts wurden von Wissenschaftern und Staatsmännern als Lenkrad der Geschichte eingeschätzt, aber auch als Kunstform, die den Regeln des Theaters entspricht, so Clemens Peck in seinem Vortrag über das Verhandeln als Kategorie der dramatischen Künste.
François de Callières widmete sich Anfang des 18. Jahrhunderts in seiner „Manière de négocier“ (1716) den Formen und Funktionen diplomatischer Verhandlung. In seinen Betrachtungen macht der französische Gelehrte und Botschafter diplomatische Praktiken nicht nur als eigenständiges Wissenssegment, als Kunstform verständlich, sondern arbeitet auch an einer Dramatisierung der Diplomatie. Callières’ Humanisierung der machiavellistischen verità effettuale– Prinzip einer operativen Wahrheit – bietet einen Möglichkeitsraum, über die Wahrheit der Dinge entscheiden und Geschichte lenken zu können oder ihr als glückloser Unterhändler ausgeliefert zu sein. Solchermaßen erweist sich die Diskursivierung der Diplomatie als Kehrseite der Dramentheorie. In seinem Vortrag nähert sich Clemens Peck dieser Konstellation über zwei dramengeschichtliche Brüche: An Daniel Casper von Lohensteins spätbarocker Emblematik des Trauerspiels „Sophonisbe“ (1680) und der verteufelten Humanität von Johann Wolfgang Goethes „Iphigenie auf Tauris“ (1779/1787) soll gezeigt werden, dass gerade die diplomatische Ausweitung der menschlichen Mittel (Baltasar Gracián) neue dramatische Formen ermöglicht.
Ort: IFK
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