28 April 2014
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DIE ZUNGE DES DÄDALUS: LUCREZ UND DIE THEORIE DER SIMULACRA

Der Dichterphilosoph Lucrez übersetzte in der Spätphase der römischen Republik die Naturphilosophie Epikurs nicht nur vom Griechischen ins Lateinische, sondern auch von der Prosa in die Poesie. Jakob Moser fragt in seinem Vortrag danach, ob dieser Wandel der Textgattungen neue Denkwege eröffnet hat.

Im vierten Buch seines philosophischen Epos „De rerum natura“ entwickelt Lucrez die berühmte Theorie der Simulacra, die Lehre von den materiellen Bildströmen: Mit unvorstellbarer Geschwindigkeit projizieren alle Körper Bilder in den Raum, sodass sich ein virtueller Bildspeicher konstituiert. Die Simulacra erzeugen eine Zone, die zwischen der unsichtbaren Textur der Materie und unserer Erfahrungswelt vermittelt und aus der unser Vorstellen, Wahrnehmen und Denken sich immer wieder aktualisiert. Die Differenzierung von Imagination und abstraktem Denken wird dabei in Begriffen der Verdichtung, Geschwindigkeit und stofflicher Feinheit beschrieben, womit die Simulacra zum Grundbegriff einer Poetik der Imagination werden. Jakob Moser versucht, diese komplexe Theorie unter Bezugnahme auf Epikurs Schriften zu interpretieren und weiters zu zeigen, dass Lucrez' Bildtheorie sich auf sein eigenes poetisches Schreiben anwenden lässt: denn sowohl die Simulacra als auch die Schreibpraxis des Dichters vollziehen sich im Spannungsfeld von Begriff und Bild, in einer Zone zwischen der verborgenen Natur der Dinge (res occultae) und den offensichtlichen Erscheinungen (res apertae). Die Frage ist: Wie kann man die Verdichtung der Materie zugleich als physischen und poetischen Prozess lesen?

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