Dass Theater ansteckend sei, meinte der Polizeiapparat der Metropolen Wien und Berlin um 1900 durchaus im pathologischen Sinn. Im Umfeld von Schauspielerinnen hole man sich die Syphilis und würde in den unsittlichen Sumpf gezogen. Jan Lazardzig geht den (De-)Regulierungen von Theater und Prostitution durch das Präventionsregime der Polizei jener Zeit nach. Theater und Prostitution, von Ökonomen gleichermaßen der unproduktiven Arbeit zugeschlagen, da ihre „Dienste im Augenblick ihrer Leistung vergehen“ (Karl Marx, „Theorien über den Mehrwert“), werden im ausgehenden 19. Jahrhundert häufig in einem Atemzug genannt. Jenseits der real existierenden „Theater- und Kostümprostitution“ von Schauspielerinnen und Tänzerinnen, denen eine reguläre Gage seitens der Theaterdirektion systematisch verweigert wurde, wird die vermeintliche Entwertung der Theaterkunst im Zuge ihrer Ökonomisierung gebrandmarkt. Dabei werden tradierte antitheatrale Topoi (Ansteckungs- und Prostitutionsverdacht) marktbezogen revitalisiert (Angst vor Unproduktivität, Entwertung). Zeitgleich wird die weibliche Prostitution (vor allem aufgrund der Gefahr einer Ansteckung mit Syphilis) als ubiquitäre, heimtückisch maskierte Bedrohung des gesellschaftlichen Lebens angesprochen, die sich einer ökonomischen Logik immer wieder zu entziehen scheint. Die Regulierung von Theater und Prostitution obliegt dem Präventionsregime der Polizei, das an der Schnittstelle von Sittlichkeitsgeboten, Hygienemaßnahmen und Marktmechanismen agiert. Am Beispiel der Metropolkulturen Wien und Berlin wird in diesem Vortrag die polizeiliche Prävention auf zwei imaginationsgeschichtlich eng miteinander verbundenen Feldern diskutiert.
Ort: IFK
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