16 Januar 2012
  • Lecture

Das Jerusalem der Renaissance. Tassos Gerusalemme liberata

Judith Frömmer widmet sich in ihren Forschungen Torquato Tasso, dem sagenumwobenen italienischen Dichter, der in Zeiten der Gegenreformation am Hof der Este in Ferrara tätig war. Sein bis heute bekanntestes Werk „Gerusalemme liberata“ leitet die Genealogie der Este-Dynastie aus der Geschichte des Ersten Kreuzzugs ab.

 


Im Mittelpunkt des Vortrags sollen Torquato Tassos Kreuzzugsepos Gerusalemme liberata und die Vielzahl seiner Interpretationen stehen, die sich aus den unterschiedlichen Aneignungsformen des Kreuzzugsgedankens ergeben. Bereits im Mittelalter bildete Jerusalem nicht nur das Ziel der Kreuzzugsbewegung, sondern gleichzeitig das Lehrbeispiel für das System des vierfachen Schriftsinns. Der Kreuzzug, von dem Tassos Gerusalemme liberata erzählt, führt daher nicht allein in das historische Jerusalem des Mittelalters, sondern ist gleichzeitig als Allegorie der Ecclesia militans, der christlichen Seele und schließlich des himmlischen Jerusalems lesbar. Entsprechend ist Tassos Epos zum Gegenstand der subtilsten Lektüren geworden, die darin, neben humanistischen Verfahren der Geschichtsschreibung, der Genealogie und der Panegyrik, Allegorien der Gegenreformation des modernen Romans oder der menschlichen Psyche freilegen. Durch diese bereits durch den Titel und das Thema der Gerusalemme liberata und der ihr nachfolgenden Gerusalemme conquistata evozierte (Be-)Deutungsvielfalt wird auch das Gründungsnarrativ des Epos in hohem Maße polyvalent, dessen narrative Politiken über die italienische Renaissance hinaus auf die mitunter paradoxen Gründungserzählungen der Moderne verweisen.

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