Der spätromantische deutsche Schriftsteller Achim von Arnim hält 1811 eine Rede, in deren Struktur nicht nur antijüdische Stereotype eingebaut sind, sondern auch bereits rassistisch begründete Antisemitismen. Katharina Krčal spricht in ihrem Vortrag über frühe Zuschreibungen eines „heimlichen Juden“, über dessen „Gefährlichkeit“ und zeitgleich Anklagen seiner mangelnden Assimilationsfähigkeit. 1811 hielt Achim von Arnim im von Franzosen okkupierten Berlin vor der christlich-deutschen Tischgesellschaft eine Rede unter dem Titel „Ueber die Kennzeichen des Judenthums“. Arnim entwickelt in seiner satirischen Rede ein Bedrohungsszenario: Er stellt seine Zuhörerschaft vor die Frage, was passieren würde, wenn es den bislang von der Gesellschaft ausgeschlossenen Juden gelänge, die Positionen der christlichen Mitglieder einzunehmen. Dabei bedient sich Arnim antijüdischer Stereotype theologischer Prägung, der Text weist außerdem bereits auf den rassistisch grundierten Antisemitismus des späten 19. Jahrhunderts voraus. In ihrem Vortrag zeigt Katharina Krčal, wie beide Formen der Judenfeindschaft ineinandergreifen, wobei an ihrem Kreuzungspunkt im Text die Figur des „heimlichen Juden“ auftaucht, dessen „Gefährlichkeit“ für Arnim vor allem in der ihm zugeschriebenen Fähigkeit liegt, sein Judentum zu verbergen. In Verbindung mit den seit der Aufklärung stets wiederkehrenden Assimilationsforderungen bildet sich so ein spezifischer Double Bind aus, mit dem sich Juden und Jüdinnen konfrontiert sehen: Sie werden aufgefordert, sich anzupassen, tun sie das, so wird ihnen aber vorgeworfen, sich einzuschleichen. Arnim entwickelt damit bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts eines der Hauptargumente des modernen Antisemitismus.
Ort: IFK
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