Kollektive Traumata? Zu den gesellschaftlichen Folgen massenhafter Traumatisierungen. Überlegungen am Beispiel der deutschen Nachkriegsgesellschaft von IFK_Junior Fellow Markus Brunner.
In den letzten Jahren hat nicht nur der Begriff des Traumas einen Boom erlebt, sondern auch die Idee, dass ganze Gesellschaften durch erschütternde Ereignisse traumatisiert werden können. Wenn diese Rede vom Trauma nicht nur metaphorisch gemeint ist, sondern sich tatsächlich auf Ereignisse wie Genozid, Krieg und Verfolgung bezieht, wird dabei stets angenommen, dass das Trauma als „Einbruch des Realen“ aus sich heraus eine zerstörerische Eigenlogik entwickelt.Markus Brunner will dagegen die Traumatisierungsprozesse in ihrem sozialen und psychosozialen Kontext beleuchten. In Auseinandersetzung mit historischen Untersuchungen über den Bombenkrieg in den deutschen Städten im Zweiten Weltkrieg soll gezeigt werden, wie die nationalsozialistische Idee der Volksgemeinschaft und der Antisemitismus auch als Angebot zur Abwehr oder „Schiefheilung“ von traumatischen Ängsten und traumaspezifischen narzisstischen Entleerungen fungieren konnten. Weil sich damit Trauma und massenpsychologischer Kontext unmittelbar verzahnen, muss, wer die längerfristigen gesellschaftlichen Auswirkungen von massenhaften Traumatisierungen beleuchten will, diesen Kontext immer auch im Blick behalten.
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