Als Sinnbild hat der Begriff „Netzwerk“ seit langem in vielen Texten der Literatur- und Kulturwissenschaften Konjunktur. Es ist daher umso erstaunlicher, dass netzwerktheoretische Analysen und Feststellungen ebendort keinen Eingang finden. Das Fehlen dieses Konzepts der Erkenntnis moniert und ergründet Nacim Ghanbari in ihrem Vortrag.
Die diskursive Allgegenwart der sozialen Netzwerke kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass große Teile der Literatur- und Kulturwissenschaften netzwerktheoretische Erkenntnisse erfolgreich ignorieren. Sie werden kaum zitiert, geschweige denn besprochen, auch wenn das Netzwerk in zahlreichen Texten als Metapher zum Einsatz kommt. Dies gilt auch für die Aufklärungsforschung, die in besonderer Weise von der nachträglichen Identifizierung der Gelehrten und Literaten als Prototypen des agilen Netzwerkers profitiert. Ausgehend von einem Panorama der wechselvollen Theoriegeschichte des sozialen Netzwerks diskutiert Nacim Ghanbari in ihrem Vortrag die verschiedenen Möglichkeiten, das netzwerktheoretische Vokabular und Instrumentarium für kulturwissenschaftliche Zwecke zu übernehmen. Im Zentrum des Interesses stehen die Freundschaftsbünde–von denen der „Göttinger Hain“ und die „Bremer Beiträger“ lediglich die bekanntesten sind –, die abseits der vorgesehenen literarischen Hauptverkehrswege neue Formen kollektiver Selbstorganisation der Autoren erproben.
Ort: IFK
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