13 Dezember 2010
  • Lecture
IFK

Der Autist: Einsames Genie oder antisoziales Wesen?

Ein Autist ist schwierig, einsam und egozentrisch. Ein Autist ist ein Mann. Nicole C. Karafyllis erläutert das Wechselspiel von naturwissenschaftlichen und kulturellen Zuschreibungen und hinterfragt auf kritische Art und Weise die Geschlechterzuweisungen auf medizinischer und populärer Ebene.

 

Warum faszinieren und schrecken uns Autisten? „Autismus“ ist eine medizinische Diagnose, die – v. a. in attributiver Form – Eingang in die meisten Alltagssprachen gefunden hat und dort als Synonym für Egozentrik und Einsamkeit verwendet wird. Sie betrifft vorwiegend Männer. Konzipiert wurde sie, unabhängig voneinander, durch den Schweizer Psychiater Eugen Bleuler (1911) in Zürich, den Austroamerikaner Leo Kanner (1943) in Baltimore und den Kinderarzt Hans Asperger in Wien (1944). Bereits in den Anfängen der Autismusforschung lässt sich die Wissenschaftspopularisierung jener devianten Symptomatik ausmachen, die zum kulturellen Faszinosum „Autist“ führen sollte. Die Gewissheit, dass die Antisozialität des Autisten etwas „Abnormales“ ist, verliert sich in jüngster Zeit zunehmend. Durch Oscar-prämierte Hollywoodfilme wie „Rain Man“ (1988) und „As Good As It Gets“ (1997), in denen prominente Schauspieler Autisten auf sympathische Weise verkörpern, ist das Phänomen Teil der Populärkultur geworden. Man stellt sich Männer vor, die Telefonbücher auswendig lernen können, obsessiv die Kästchen im Karomuster der Tischdecke zählen und generell ein Problem mit Frauen haben. Es bleibt die scheinbare Gewissheit, dass es sich beim Autisten um einen schwierigen Typ von Mann handelt. Aber inwiefern ist er schwierig, und warum gehen wir von einem Mann aus?

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