11 März 2013
  • Lecture
IFK

Gulag–Erfahrung und Literarische Bewältigung

Der Gulag ist ein Synonym für das grausame und zugleich perfekte Repressionssystem der Sowjetunion unter Stalin. Renate Lachmann untersucht zwei Arten literarischer Schreibweisen, die diese traumatischen Geschehnisse in Straflagern und Verbannungsorten wiedergeben: die der persönlichen Zeugenschaft und die der nachgeborenen LiteratInnen. 

 

Viele aus sowjetischen Straf- und Zwangsarbeitslagern Entlassene haben ihr Schicksal schriftlich festgehalten in Memoiren, faktografischen Berichten und Erzählungen. Die literarische Gestaltung des Lagergeschehens hat Entlastungsfunktion für die Überlebenden und entspricht zugleich ihrem als Auftrag empfundenen Verlangen, das Erlittene zu bezeugen. Auch SchriftstellerInnen ohne Lagererfahrung haben die Zeugnisse der Opfer in eigenen Texten verarbeitet und dabei das Dokumentarische mit fiktionalen Elementen verbunden. Die Schreibweisen der Zeugen und Zeuginnen und jene der engagierten Nichtbetroffenen unterscheiden sich in Stil und Ausdruckskraft. Im Vortrag geht es darum, diese Unterschiede in ihrer ästhetischen Wirkung herauszustellen. Zwei Autoren werden dabei im Mittelpunkt stehen: Karl Steiner (1902 in Wien bis 1992 in Zagreb), Österreicher und Mitglied der Kommunistischen Partei Jugoslawiens, mit seinen Memoiren „7000 Tage in Sibirien“ und Danilo Kiš, serbischer Schriftsteller (1935 in Subotica bis 1989 in Paris), mit seinem Erzählband „Ein Grabmal für Boris Dawidowitsch“. Beiden, dem frühen Opfer der stalinistischen Säuberungen und dem später Geborenen mit Kriegserfahrung und der Trauer um seinen in Auschwitz umgekommenen Vater, gelingt es, Reaktionen der Erschütterung und des Nachempfindens bei den Lesenden auszulösen: zum einen durch die akribische Berichterstattung über das Unglaubliche, zum anderen durch eine zugespitzte Erzählweise.

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