Sebastian Haselbeck zeigt in seinem Vortrag eine verblüffende Verbindung auf: jene zwischen Diktat als Vorraum zum endgültigen Text und den realen Vorzimmern der Macht. Er belegt diesen Zusammenhang mit literarischen Beispielen.
Ein Trick, um die Angst vor dem weißen Blatt zu umgehen, ist das Diktieren. Dabei wird der Text für den Diktierenden zu etwas Fremdem, beinahe Objektivem. Das Gegenüber oder das stumme Diktiergerät verstärken noch die Distanz zwischen Text und Diktierendem. Das Diktat lässt sich als Vorraum zum endgültigen Text verstehen. Sieht man sich die Vorzimmer der Macht an, so trifft der Machthaber, glaubt man Carl Schmitts kurzem „Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber“, gleichermaßen als Verdoppelter auf sich selbst: Sein natürlicher Körper trifft auf seinen politischen Körper. Zwischen den Menschen, die den Vorraum zur Macht bevölkern, den sogenannten „Indirekten“, muss sich der Machthaber politisch behaupten, wobei ihm sein natürlicher Körper fremd wird. Für die Ausübung von Macht und das Diktieren ist diese „Dialektik von Selbstbehauptung und Selbstentfremdung“ ein konstitutives Element. Ohne das Gegenüber und die „Indirekten“ sind beide Vorgänge nicht denkbar. Schmitts Gespräch hingegen, das er 1954 für den Hessischen Rundfunk schreibt, bleibt aus Mangel an Gesprächspartnern ein Selbstgespräch über die Entwicklung menschlicher Macht, das zwei fiktive Figuren führen, eine jüngere und eine ältere. Sebastian Haselbeck verbindet in seinem Vortrag die Angst vor dem weißen Blatt mit dem Problem der Ausübung von Herrschaft: Das Gegenüber beim Diktat entspricht Schmitts „Indirekten“ in den Vorräumen der Macht. Der Blick in die „diskursiven Vorräume“ der Macht verdeutlicht, dass die Kunst des Diktierens mit der Kunst des Antichambrierens verwandt ist.
Ort: IFK
Zurück