22 April 2013
  • Lecture
IFK

"Nervöse", "verrückte", "gefährliche" Märkte. Finanzhandel und die Klassifikation des Markts als Kreatur.

Märkte werden zumeist schlicht als Orte, an denen Käufer und Verkäufer aufeinandertreffen, verstanden. Sollen allerdings die Zentrifugalkräfte der Hochfinanzmärkte beschrieben werden, kommen Attribute wie „nervös“ oder „verrückt“ zum Einsatz. Stefan Laube geht in seinem Vortrag der Frage nach der Relevanz dieser Verlebendigungsmetaphern für die Praxis des Finanzhandels nach.

 

Das heute verbreitete Verständnis von Märkten ist von zwei grundlegenden Ideen geprägt. Einerseits bezeichnet der Markt einen Ort, der Käufer und Verkäufer zusammenbringt, um mit Gütern zu handeln, seien es Bazare in nichtwestlichen Kulturen, seien es (vorelektronische) Börsenplätze in finanzkapitalistischen Gesellschaften. Zum anderen gelten Märkte als ein Mechanismus, der die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage regelt, eine Vorstellung, die zentral für das wirtschaftswissenschaftliche Verständnis von Märkten ist. Ausgehend von der ethnografischen Beobachtung des hochtechnologisierten Finanzhandels thematisiert Stefan Laube in seinem Vortrag eine andere Variante der symbolischen Bestimmung eines Markts: seine Verlebendigung als eine Kreatur, die unabhängig von den Marktteilnehmern und auf ganz bestimmte Art und Weise agiert. So verwenden Finanzhändler Konzepte wie Stimmung oder Lebendigkeit, wenn sie sich über das Ausmaß an Preisfluktuationen unterhalten; sie sprechen von verrückten, gefährlichen oder toten Märkten, von Märkten, die vernünftig sind oder nervös. Stefan Laubes Analyse bietet eine Deutung von Finanzmärkten aus der Perspektive einer Soziologie der Praktiken.

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