Im Zuge der Auflösung der UdSSR und der Unabhängigkeit Kasachstans wurde das Atomtestgelände bei Semipalatinsk offiziell geschlossen. Die Institute der ehemals streng abgeschirmten, nach dem Atomphysiker Kurtschatow benannten Wissenschaftsstadt auf dem Testgelände wurden in den frühen 1990er-Jahren in ein nationales Nuklearzentrum umgewidmet. Die Wissenschaftsforscherin Susanne Bauer auf den Spuren postsowjetischer nuklearer Ökologien. Nach dem Ende des Kalten Krieges und auf die Schließung des Atomtestgeländes in Kasachstan folgten in der Region Semipalatinsk (heute: Semei, Ostkasachstan) ein kurzzeitiger „Informationsboom“, ein lokales Kompensationsgesetz, UN-Resolutionen und internationale Forschungsaktivitäten. Markierte dies einerseits einen Neuanfang im Umgang mit den Auswirkungen der Atomtests, so basieren die Methoden der Risikomodellierung und Risikobewertung selbst auf den Wissensbeständen des Kalten Krieges und der Atomprogramme in West und Ost. Die technowissenschaftlichen Ansätze der Risikoforschung und Risikoabschätzung weisen damit ihre eigenen Zeitökonomien auf. Heute sind Expositionsregister, Dosisbescheinigungen, Screenings und Gesundheitsfragebögen, internationale Biobank-Projekte, Plutoniumrückstände und die transnationale Zirkulation nuklearer Dinge fester Bestandteil des postsowjetischen Alltags in der Region. Gleichzeitig entstehen vor Ort auch andere Wissensformen und neue Topologien des Nuklearen. Mit Hilfe von Ansätzen der Science and Technology Studies wird der Vortrag die Zeitökonomien sowie globalen Verflechtungen postsowjetischer Wissensgefüge und nuklearer Ökologien sichtbar machen.
Ort: IFK
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