Anhand von Dossiers, die lokale Stellen des Reichsnährstandes zu BesitzerInnen landwirtschaftlich nutzbarer Flächen anlegten, behandelt Ulrich Schwarz Fragen nach Machtbeziehungen in ländlichen Gemeinden während des NS-Regimes.
Einerseits lassen sich Dossiers über Mitglieder der untersuchten Ortsbauernschaften als Information über vor Ort herrschende Verhältnisse lesen. Gleichzeitig erscheinen diese Akten selbst als Apparate der Formation von Macht, die in die Struktur der Orte eingreift. In dieser doppelten Weise fragt Ulrich Schwarz nach Macht vor Ort. Was mit dieser speziellen Praxis, Realität zu repräsentieren, betrieben wurde, welche Realitäten diese (mit-)fabrizierte und wie dieser Repräsentationsmodus auf die Realitäten der in den Akten zu les- und verwaltbaren Personen gemachten Menschen zurückwirkte. Anhand der Dossiers lassen sich aber nicht nur die strategische Verwaltungspraxis und Wissensproduktion der Behörde untersuchen. Sie zeigen auch, wie einzelne AkteurInnen diese Dossiers beispielsweise im Streit um eine versprochene Ehe, bei Ansuchen um Fördermittel, bei Versuchen, gewaltsame Verfolgung abzuwenden, oder bei lokalen Konflikten über die Vergabe enteigneten Vermögens taktisch gebrauchten, um ihrer Position Macht zu verleihen oder anderen diese abzusprechen. Etwa indem sie sich gezielt auf in den Dossiers vorhandene Informationen beriefen oder durch Eingaben den Dokumentationsimperativ der Behörde nutzten, um an deren Wissen über ihr bisheriges Leben, ihre politische Gesinnung oder ihre Wirtschaftsweise, aber auch über die Einstellungen und das Verhalten ihrer KontrahentInnen mitzuwirken.
Ort: IFK
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