Können die Thesen Immanuel Kants Einfluss auf die symbolische und ethische „Erschließung“ des Grenzraums zwischen der EU (Nordostpolen) und Russland haben? Ist es ein reiner Zufall, dass Kant gerade hier in Königsberg (seit 1945 Kaliningrad) gelebt und gewirkt hat? Fragen, die sich der polnische Politologe Wojciech Łukowski im Rahmen seines Vortrags zu den symbolischen und ethischen Dimensionen der europäischen Peripherie stellt.
Es scheint, dass am Anfang des 21. Jahrhunderts die kantsche Philosophie in einer spezifischen konstruktivistischen Wahrnehmung eine grundlegende Rolle für die symbolische „Erschließung“ dieses Raums spielt. Dieses Gebiet – Oblast Kaliningrad im Nordteil des ehemaligen Ostpreußen sowie Ermland und Masuren in dessen südlichem Teil – bildet eine Peripherie der Russischen Föderation und der Europäischen Union. Eine Peripherie orientiert sich sowohl in symbolischer als auch ethischer Hinsicht auf das Zentrum (Brüssel, Warschau, Moskau) und auf die endogenen Potenziale. Manchmal überwiegt die Überzeugung, dass (fast) alles vom Zentrum abhänge, manchmal wird der Glaube an endogene Faktoren erweckt. Es etabliert sich ein Spiel zwischen fatalistischen und konstruktivistischen Deutungen. Der Common Sense interferiert mit „reiner Vernunft“, ein Utilitarismus mischt sich mit anderen Vorstellungen von Gerechtigkeit. Es besteht ebenfalls eine weitgehende, teilweise auch paradoxe Einstimmigkeit zwischen der einfachen Bevölkerung (u. a. Schmuggler an der Grenze der EU zu Russland) und lokalen Eliten. Die periphere Lage zwingt zu unkonventionellen Methoden der Lebens- und Politikführung.
Ort: IFK
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