André Bideau
ifk Research Fellow


Zeitraum des Fellowships:
01. März 2004 bis 30. Juni 2004

Postindustrielle Urbanität im Spiegel der Produktion, Konsumation und Rezeption von Architektur



PROJEKTBESCHREIBUNG

Die postindustrielle Stadt gehorcht einer Dynamik von formaler Diversifizierung und inhaltlicher Schrumpfung - einem Kräftespiel, das sich sowohl semantisch als auch raumbildend auswirktErlebniswerte, Öffentlichkeiten und Investitionen waren früher auf lokale Stadtstrukturen verteilt; im sogenannten Inselurbanismus konzentrieren sie sich auf medienwirksame Interventionen und public/private-partnerships. Dabei werden architektonische Handschriften zu Stimulatoren und Simulatoren von Urbanität- gleichzeitig aber auch zu Produkten, mit denen die Ökonomien des Tourismus und der Kulturindustrie heterogene Bedrfnisse abdecken. Diese Verwertungspraxis, die heute die Städte des Westens mitsamt ihrem Konzept von Öffentlichkeit prägt, tritt etwa in der neominimalistischen Museumsarchitektur der 1990er Jahre zutage.

Ikonegraphien und »kritische« Narrationen, wie sie bis ans Ende der Moderne zur Geltung kamen, erscheinen in der zwischen Mediatisierung und Musealisierung pendelnden zeitgenössischen Stadt neutralisiert. in dieser Vereinnahmung lassen sich Aspekte der »Cultural Log ic of Late Capitalism« erkennen, Fredric Jamesons von wirtschaftlichen Paradigmenwechseln ausgehende Definition von Postmoderne. Auch in der Architektur äußert sich Postmoderne weniger in einer stilgeschichtlichen Zäsur als in einer Ablösung bisheriger Avantgardekonzepte und im Aufkommen eines neuen Werkbegriffs seit etwa 1960. Durch die Mutationen im Kontext Stadt, die Erwartungshaltung eines urbanen Architekturpublikums sowie unsere medial konditionierte Wahrnehmung haben sich im Lauf der Postmoderne frühere Deutungsmuster und -hoheiten verändert. Neu verhandelt wurde das ohnehin durchlässige Verhältnis Theorie-Praxis-Kritik, wobei die Theorie verschiedentlich darum bemüht war, ein festes Corpus von Grundlagen für die Architektur zu installieren. Doch als »weiche<< Disziplin unterscheidet sich Architektur von anderen Wissenschaften gerade dadurch, daß ihr die Grenzen und Codes einer akademischen Kultur fehlen. Solche Offenheit erweist sich gegenüber dem Wesen postindustrieller Urbanität als produktiver VorteilDie Crossover-Situation hat vielfältige Texte, Diskurse und Handlungsdispositive ermöglicht, um die auch dieses Forschungsprojekt kreist.



CV

Architekt und Publizist, Zürich, 1997-2002 war er Redakteur von »Werk, Bauen+ Wohnen<<. Neben seiner Tätigkeit als Architekturkritiker und verschiedenen Lehraufträgen arbeitet er an einem Forschungsprojekt, das die Verbindungen zwischen Architekturdiskursen seit 1968 und der Erfahrung postmoderner Urbanität untersucht.