Anton Holzer
ifk Research Fellow


Zeitraum des Fellowships:
01. Oktober 2005 bis 31. Januar 2006

Schaulust und Gewalt. Die fotografische Erregung in der Kriegsfotografie



PROJEKTBESCHREIBUNG

Die Folterbilder aus Abu Ghraib lösten Entsetzen aus und führten zu einer Reihe von Fragen: Wie sind solche Fotografien zu deuten? Sind derartige Bilder aus der Kriegsgeschichte bekannt? Susan Sontag verglich die Aufnahmen mit den Fotos von Lynchopfern aus den USA und Bildern aus dem Zweiten Weltkrieg, auf denen sich die grinsenden Täter zusammen mit den Opfern ablichten ließen. Insgesamt seien aber, so ihre Einschätzung, derartige Fotografien "höchst selten". Tatsächlich aber sind nicht wenige derartiger Fotografien überliefert, vor allem aus dem Ersten Weltkrieg. Eine davon wurde durch Karl Kraus bekannt, der sie seinem Buch "Die letzten Tage der Menschheit" voranstellt. Sie zeigt die Hinrichtung des italienischen Patrioten Cesare Battisti. Hinter dem Hingerichteten steht der Henker. Er baut sich hinter dem Opfer auf und grinst über das Opfer hinweg in die Kamera. Soldaten und Zivilisten drängen sich um den Toten. Auch sie blicken in die Kamera. Zahlreiche Hinrichtungsfotos aus dem Ersten Weltkrieg sind einer ähnlichen visuellen Anordnung verpflichtet. Der Schauplatz ist öffentlich, zahlreiche Zuschauer gruppieren sich um den Hinrichtungsort, das Opfer wird in die Mitte geholt, die Kamera hält nicht nur den Hingerichteten fest, sondern auch die Zuschauer, die sich oft ins Bild drängen. Ziel des Projekts ist es, diese Bilddokumente der Gewalt im Krieg mit kultur- und fotohistorischen Mitteln zu untersuchen. Ausgehend von einer Relektüre der krausschen Deutung solcher Fotos in den "Letzten Tagen der Menschheit" wird die Inszenierungsform der Gewalt im Bild genauer analysiert. Es geht dabei nicht nur um die Frage, was diese Fotos zeigen, sondern auch wie sie es zeigen. In einem zweiten Schritt werden die Gebrauchsweisen dieser Bilder im zeitgenössischen Kriegskontext und in der späteren Erinnerung an den Krieg verortet. Schließlich soll der Frage nachgegangen werden, ob manche der Bilder aus dem Irak auf ähnliche Blickdispositive zurückgreifen, wie sie uns im Ersten (und Zweiten) Weltkrieg begegnen.



CV

Ausstellungskurator und Publizist, Herausgeber der Zeitschrift "Fotogeschichte"



Publikationen

Die Bewaffnung des Auges. Die Drei Zinnen oder Eine kleine Geschichte vom Blick auf das Gebirge, Wien 1996; (Hg. zusammen mit Manuela Fellner, Elisabeth Limbeck-Lilienau), Die Schärfung des Blicks. Josef Petzval – das Licht, die Stadt und die Fotografie, Wien 2003; (Hg.), Mit der Kamera bewaffnet. Krieg und Fotografie, Marburg 2003.