Christoph Treiblmayr
ifk Junior Fellow


Zeitraum des Fellowships:
01. Oktober 2005 bis 30. Juni 2006

Männliche Homosexualität(en) im britischen und deutschen Kinofilm (1990–2000)



PROJEKTBESCHREIBUNG

Homosexualität(en) und insbesondere männliche Homosexualität(en) wurden in der Geschichte des Kinos nur selten gezeigt und wenn, wurden sie zumeist bis zur Lächerlichkeit verzerrt, erregten Mitleid oder bewirkten Furcht. Dies scheint sich – zumindest was die Häufigkeit ihrer Darstellung in den an ein Massenpublikum adressierten Filmen betrifft – seit den 1980er-Jahren zunehmend verändert zu haben und in den 1990er-Jahren besonders augenscheinlich geworden zu sein. Aufgabe des Projekts ist es, diese Entwicklung aus männergeschichtlicher Perspektive zu erforschen, wobei komparatistisch die nationale Kinofilmproduktion Deutschlands und Großbritanniens der Jahre zwischen 1990 und 2000 untersucht wird. Als Quellen dienen ausgewählte Mainstream-Produktionen ebenso wie jene Avantgardefilme, in denen homosexuell verortete Figuren dargestellt werden. Film ist nicht nur als Quelle der historischen Forschung relativ neu, sondern auch für die im deutschsprachigen Raum noch junge (historische) Männerforschung ein privilegierter Ort der Analyse, da der Konstruktionsprozess von Männlichkeit(en) im Allgemeinen und Homosexualität(en) als gewissermaßen alternativen Männlichkeit(en) im Besonderen am kinematographischen Bild besonders sichtbar wird und sichtbar gemacht werden kann. Film wird dabei in Anlehnung an Jan Assmann und Pierre Nora als Visualisierung eines überindividuell geteilten Wissens – eines kulturellen Gedächtnisses – verstanden. Assmanns These der kulturellen Erinnerung folgend, kann davon ausgegangen werden, dass die Kinofilme des betrachteten Jahrzehnts als Speichermedien über konventionalisierte Repräsentationsformen die kulturellen Muster und Klischees von Homosexualität dieses Zeitraums nicht bloß festhalten, sondern auch transformieren und reduzieren. Noras Konzeption der lieux de mémoire soll von der nationalen auf die urbane Ebene übertragen und auf das Medium Film angewandt werden, da homosexuelle Szenebildung ein weitgehend urbanes, großstädtisches Phänomen ist. Ausgehend von einem aus fragengeleiteten Massenanalysen gewonnenen Kriterienkatalog, wird in semiotisch und inhaltsanalytisch orientierten close readings gezeigt, welches potenzielle "Sinnangebot" die untersuchten Filme hinsichtlich der Darstellung von Homosexualität(en) – in Verschränkung mit anderen Kriterien sozialer Zuschreibung wie Klasse, Rasse (race), Ethnizität etc. – enthalten und welche Rückschlüsse sich daraus auf die jeweils herrschenden hegemonialen Männlichkeitskonzeptionen und ihre kulturgeschichtlichen Hintergründe, etwa eine von vielen KulturtheoretikerInnen behauptete "Krise der Männlichkeit" im Untersuchungszeitraum, ziehen lassen.



CV

MMMag. phil., Studium: Geschichte, Germanistik, Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Pädagogik, Philosophie und Theaterwissenschaft an den Universitäten Wien und Salzburg sowie an der Technischen Universität Berlin und der University of London



Publikationen

U.a.: Rosa Luxemburg – eine Feministin? Überlegungen anhand ihrer Tätigkeit als Dozentin an der zentralen Parteischule der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (1907 bis 1914), in: Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit, 2, 2001, S. 137–150; Review Article: Militarism Revisited – Masculinity and Conscription in Germany, in: Journal of Contemporary History, 4, 2004, S. 649–656.