Yale University
Ehe dramatisieren. Ehe als soziale Praxis in der Wiener Komödie der Jahrhundertwende
Das Projekt Ehe dramatisieren analysiert Darstellungen der sozialen Praxis der Ehe in Wiener Komödien der Jahrhundertwende. Hierfür soll Pierre Bourdieus Praxis-Konzept und dessen erweiterter Kapitalbegriff herangezogen werden, um Einblicke in die ökonomische Basis der bürgerlichen Ehepraxis zu gewinnen. Angebot und Nachfrage auf dem Heiratsmarkt sowie Fortbestehen einer Ehegemeinschaft werden nicht nur durch den Wechsel finanzieller Ressourcen, sondern auch durch den Austausch von kulturellem und sozialem Kapital bestimmt. Ein kultursoziologisch orientierter Blick auf die Wiener Komödien um 1900 bietet eine aussichtsreiche Alternative zur einseitigen Valorisierung von Sexualität, die den Blick auf die Ehe als kulturelle Praxis verstellt. Die Konzentration auf Austausch- und Konvertierungsprozesse von Kapital in seinen verschiedenen Erscheinungsformen ermöglicht einen neuen Zugang zur Kultur der Jahrhundertwende und deren komplexen semiotischen Prozessen.
Clemens Woldan studierte Deutsch, Philosophie und Psychologie (LA) in Salzburg, ist gegenwärtig Doktorand an der Paris Lodron Universität und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Stefan Zweig Zentrum tätig. Seine Diplomarbeit Die Wiener Komödie um 1900 wurde mit dem Förderpreis für die beste Diplomarbeit (2019) des Fachbereichs Germanistik ausgezeichnet. Nach seinem Studienabschluss unterrichtete er an Mittelschulen in Salzburg und absolvierte in Wien den postgraduellen Universitätslehrgang Philosophische Praxis. Neben seiner Anstellung als Mittelschullehrer arbeitete Woldan 2021 bis 2022 als Senior Scientist am Fachbereich Germanistik der Universität Salzburg. Im Rahmen seiner Dissertation untersucht er die Praxis der Ehe in Wiener Komödien um 1900 in Hinblick auf Austausch-, Konvertierungs- und Übersetzungsprozesse von Kapital in ökonomische und soziale Handlungsformen.
»Konzepte von Humanität im Diskurs über die Todesstrafe in der Zwischenkriegszeit. Stellungnahmen deutschsprachiger Autorinnen und Autoren zu staatlich sanktionierten Hinrichtungen in den Jahren 1918 bis 1939«, in: Claudia Öhlschläger , Isolde Schiffermüller, Lucia Perrone, Arturo Larcati (Hg.), Narrative des Humanismus in der Weimarer Republik und im Exil, Paderborn 2023 (im Druck); »Stefan Zweig und Calvins Genfer Gottesstaat. ›Castellio gegen Calvin‹ als Präfiguration einer Synthese von Disziplinar- und Bio-Macht«, in: Ronja Hannebohm, Anda-Lisa Harmening (Hg.), Biopolitik(en) in Literatur, Film und Serie. Aushandlungs- und Reflexionsräume vom 18. Jahrhundert bis heute, Paderborn 2022 (im Druck); »Die Hinrichtung der Marie Antoinette. Synthese von Bild und Text in Stefan Zweigs historisch-biografischem Roman«, in: zweigheft 25, Salzburg 2021, S. 15–22.
Die Ehe der Jahrhundertwende ist eine »soziale Komödie«, so die österreichische Autorin Marie delle Grazie mit Blick auf den Widerspruch der Ehe als institutionalisierte Beziehung und ökonomische Institution. Der Vortrag untersucht die strukturelle Homologie zwischen komödiantischem Spiel und ehelicher Praxis auf jenen Bühnen, die eine im Kern ökonomische Einrichtung bereitstellen.