“Etwas aus einer anderen Oper”: Lauschen nach einer neuen Radiopoetik in den Hörspielen österreichischer Schriftstellerinnen nach 1945
Schon seit seiner Gründung fördert der österreichische Rundfunk eine avantgardistische literarische Tradition, die darauf zielt, mittels semiotischer und akustischer Experimentation die Sprache an sich sowie die in der Alltagssprache verborgenen und übermittelten Machtverhältnisse zu hinterfragen. Im Vergleich zu anderen literarischen Darstellungsformen spricht der Rundfunk darüber hinaus ein einzigartig breites, vielfältiges und aufmerksames Publikum an. Im Radio bearbeiten SchriftstellerInnen sowohl die mündliche Sprache als auch in Druckform undarstellbare außersprachliche Geräusche, um Klang und Stille auf gesellschaftspolitisch aussagekräftige Weise nachhallen zu lassen. Das Österreich der Nachkriegszeit galt als bevorzugter Ort dieser intermedialen Experimentierfreudigkeit, die in den frühen siebziger Jahren das umstrittene Subgenre “neues Hörspiel” gleichsam hervorrief. Ziel dieses Projekts ist es, anhand einer archivarischen Untersuchung diverser Audio-Mitschnitte, Texte und Interviews die Radiowerke der österreichischen Schriftstellerinnen Ingeborg Bachmann, Elfriede Jelinek und Friederike Mayröcker aus literaturwissenschaftlicher und feministisch-theoretischer Perspektive aufzuarbeiten. Erforscht werden insbesondere die geschichtlichen Zusammenhänge zwischen den dichterischen Neuerungen des Hörspiels nach 1945 sowie vor allem des 1968 erschienenen neuen Hörspiels und der entstehenden politischen und kulturellen Landschaft in Österreich und im Ausland.
Elisabeth Fertig ist Doktorandin des Department of Comparative Literature an der University of Michigan. Schwerpunkt ihrer derzeitigen Forschungsarbeit ist der Zusammenhang zwischen Hörspiel und experimenteller Poesie im deutsch- und englischsprachigen Raum. In ihrem Dissertationsprojekt wird mit dieser Fragestellung nicht rein medientheoretisch oder literaturwissenschaftlich umgegangen, sondern auch vielmehr mit Blick auf neueren theoretischen Schemata wie vor allem Sound Studies, Queer Theory, critical Translation Studies, und die sogenannte “Autotheory”. Im Rahmen ihrer Lehrtätigkeiten an der University of Michigan beschäftigt sie sich u.a. mit der Analyse der neueren Rhetorik der US-amerikanischen Werbeindustrie, sowie mit einer Untersuchung des Podcastings als literarische Form. Sie erhielt ihren Bachelor in englischer und deutscher Literaturwissenschaft am Oberlin College (Ohio, USA). Über die akademische Tätigkeit hinaus moderiert Elisabeth Fertig eine wöchentliche Sendung über Dichtung und Musik bei WCBN-FM, dem Rundfunksender der University of Michigan. Die Mittschnitte dieser Sendungen sind auf ihrer Website (elisabethfertig.com) anzuhören.
The "Hörspiel" [listening play] has always been a hybrid, genre-defying form. In this lecture, Ingeborg Bachmann’s radio work is put in conversation with that of Austrian female poets airing in the 1970s and after—in particular Friederike Mayröcker and Elfriede Jelinek—to trouble the categories that have traditionally informed critical discussion of the genre.