Albträume. Perspektiven aus der Sozialanthropologie
Bevor Jonathan Harker nach Transsilvanien aufbricht, um mit Graf Dracula ins Geschäft zu kommen, wird seine Frau von einem Albtraum gepeinigt. Ihrem Mann gegenüber spricht sie von einem unsagbaren Schrecken und bittet ihn, auf seine Reise zu verzichten. Hätte er auf seine Frau gehört bzw. auf ihren Albtraum, er wäre nicht zum Untoten geworden.
Wie Harker schenken die meisten Menschen einem Albtraum kein Gehör. Sie versuchen ihn loszuwerden oder gar nicht erst aufkommen zu lassen. Auch als Gegenstand der Traumforschung hat sich der Albtraum nicht etablieren können. Dabei sagen Albträume viel über die Ängste der Menschen, und sie tun dies in kulturell chiffrierten Bildern, die einen Aufschluss zu kollektiven Ängsten erlaubten.
Das Forschungsprojekt beschäftigt sich mich mit dem Albtraum in seiner ganzen Breite und im kulturwissenschaftlichen Vergleich. Besonderes Augenmerk wird auf negative Bezugnahmen auf Albträume als Mittel der sozio-politischen Gestaltung gerichtet.
Nach einer Zeit als Musiker und Performer in der Gruppe Idee des Nordens wandte sich Florian Mühlfried Ende der 1990er Jahre der Sozialanthropologie zu. Er studierte und promovierte in Hamburg, arbeitete als Gastlektor in Georgien, als Gastprofessor in Brasilien, als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung und als Akademischer Rat an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seit 2019 ist Mühlfried als Ordentlicher Professor für Sozialanthropologie an der Staatlichen Ilia-Universität in Georgien tätig. Er ist Autor der Bücher Unherrschaft und Gegenherrschaft (2022, Matthes & Seitz), Misstrauen: Vom Wert eines Unwertes (2019, Reclam), Mistrust – A Global Perspective (2019, Palgrave Pivot), Being a State and States of Being in Highland Georgia (2014, Berghahn) und Postsowjetische Feiern: Das Georgische Bankett im Wandel (2006, ibidem). Seine Forschungsinteressen gelten Themen wie (Nicht-)Staatlichkeit, Misstrauen, Interkonfessionalität, Migration, Ritualen und Festen.
Unherrschaft und Gegenherrschaft, Berlin: Matthes & Seitz 2022.
Misstrauen – Vom Wert eines Unwertes, Stuttgart: Reclam 2019.
Mistrust – A Global Perspective, Basingstoke: Palgrave Pivot 2019.
Being a State and States of Being in Highland Georgia, London, New York: Berghahn 2014.
Postsowjetische Feiern – Das Georgische Bankett im Wandel, Stuttgart: ibidem 2006.
Der Titel des Vortrags kann auf dreierlei Weisen gelesen werden: jedes politische Projekt und Gleichheit selbst können als Albtraum gelesen werden aber auch »real existierender Egalitarismus«. Dieser Albtraum formuliert das Ungewollte der Überwältigung, die nicht alltäglich werden soll.