Hannes Grandits
ifk Junior Fellow


Zeitraum des Fellowships:
01. Mai 1997 bis 31. August 1997

Familienorganisation und individuelle Alltagswahrnehmung - Binnenkroatien und Dalmatien im Vergleich.



PROJEKTBESCHREIBUNG

Triplex confinium" war früher eine der geläufigen Bezeichnungen für jenes Gebiet, in dem über Jahrhunderte die drei für die Entwicklung der Länder Südosteuropas so prägenden Großreiche aneinandergrenzten: die Republik von Venedig, die Habsburgermonarchie und das Osmanische Reich. in diesem Raum, der heute ungefähr die an der Grenze Kroatiens mit Bosnien-Herzegowina gelegenen Regionen umfaßt, begegneten sich die unterschiedlichen Gesellschaftssysteme sowie kulturellen Einflüsse Mitteleuropas, des Balkans und des Mittelmeers. Zur Gewinnung neuer Erkenntnisse über die historischen Gesellschafts- und Lebensorganisationen in diesem" Triplex confinium" erschien es daher äußerst vielversprechend, sich dieser Problematik über einen komparativistischen, sich an mikrohistorischen, historisch-demographischen bzw. historisch-anthropologischen Modellen orientierenden Forschungszugang zu nähern.

Ein erster Versuch die Forschung über diese Zugänge zu beginnen, wurde in dem Kolloquium" Triplex confinium" after the Vienna War (1683-1699): problems of micro-historical research mit einer Schwerpunktsetzung auf die Jahrzehnte um die Wende vom 17. auf das 18. Jahrhundert unternommen. Das Kolloquium fand am 21. und 22. März 1997 an der Central European University in Budapest statt und war das Produkt einer Zusammenarbeit des Institute on Southeastern Europe of the Open Society Institute and Central European University Budapest, der Abteilung für Geschichte der Universität Zagreb und der Abteilung für Südosteuropäische Geschichte der Universität Graz.

Ziel der Veranstaltung war es, einen Erfahrungsaustausch über verschiedene Aspekte der traditionellen Lebensorganisation in den damals multiethnischen, multireligiösen und von starken Migrationsprozessen geprägten Regionen des Triplex confinium zu initiieren, bei dem die auf verschiedene Bereiche (osmanische, venezianische, kroatisch/habsburgische Sozialgeschichte, historische Anthropologie, historische Familienforschung, historische Demographie, Sozialgeographie, historische Migrationsforschung) spezialisierten Kolloquiumsteilnehmer aus Ungarn, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Italien und Österreich ihre Forschungserfahrungen einbringen konnten. Daneben sollte auch ausgelotet werden, welche methodologischen Probleme sich aus der Kombination der oben angeführten Forschungszugänge in der behandelten Themenstellung ergeben würden. Die inhaltliche Arbeit verlief so, daß sich, ausgehend von der Präsentation quantitativer und qualitativer Quellenmaterialien sowie von Teilergebnissen quantitativer Analysen, die von den Teilnehmern aus Graz und Zagreb vorbereitet wurden, sehr offene inhaltliche Gespräche entwickelten und der angestrebte Kulturvergleich von verschiedenen Kontexten aus begonnen werden konnte. Die behandelten Fragestellungen reichten von jener über den familialen Hintergrund der jeweiligen Identitäten der ethnischen Gruppen über jene nach den Migrationsmustern und Adaptionsstrategien der neu zusiedelnden Bewohner bis zu jener nach den Auswirkungen der Administrationsmuster der einzelnen Großmächte auf den Alltag der Menschen.

Die vergleichende Arbeit in dem Kolloquium konnte wertvolle neue Erkenntnisse liefern. Sie machte aber auch sichtbar, daß es einer vertiefenden, strukturierten Arbeitsorganisation bedarf, um das ganze, sehr große Potential der hier begonnenen Kooperation zu nützen. Diese strukturierte Arbeitsorganisation, deren inhaltliche Planung kurz vor dem Abschluß steht, wird es Dank der Unterstützung der Central European University (die signalisierte positive Beurteilung vorausgesetzt) voraussichtlich ab Herbst/Winter dieses Jahres geben. Eine Gruppe von jungen und etablierten Forschern wird in einer ersten Phase den Aufbau einer Datenbank über die habsburgische, venezianische und osmanische Seite des "Triplex confinium" in Angriff nehmen. Im Laufe des Jahres 1998 wird es dann auch eine Fortführung des begonnenen Dialogs in einem Folgekolloquium geben.



CV

Mag. Dr., geb. 1966, studierte Geschichte und Sozialkunde sowie Leibeserziehung an der Universität Graz, 1996 Promotion (Fach: Südosteuropäische Geschichte), derzeit Lehrbeauftragter an der Universität Graz.