Simulacra des Dämonischen. Antonius Eremita oder Das Eigenleben objektiver Fantasien
Als sich der frühchristliche Eremit Antonius in die ägyptische Wüste zurückzog, wurde er laut antiken Legenden von Dämonen durch Simulacra, das heißt durch fantastische Trugbilder und Mischwesen, in Versuchung geführt. Da Antonius allen Versuchungen widerstand, wurde er rückwirkend zum »Vater der Mönche« und zum »Heiligen der Imagination« erklärt. Während dämonische Phantasmen mit Anbruch der Moderne als Projektionen subjektiver Ängste und Begierden verstanden wurden, beteuerten vormoderne Hagiografen und Theologen deren Objektivität und Eigenleben. Das Projekt untersucht diesen historischen Umbruch in der Konzeption des Dämonischen anhand der Rezeption der Versuchungen des heiligen Antonius in der spätantiken Theologie, der frühneuzeitlichen Ikonografie und der modernen Literatur. Damit möchte es einen Beitrag zu einer umfassenderen ontologischen, ästhetischen und ethischen Problemgeschichte des Simulacrum leisten.
Jakob Moser studierte Philosophie in Innsbruck, Lecce und Wien. Er war Junior Fellow am IFK Wien (2013/14), wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Konstanz (2014–2018) und Gastforscher am German Department der UC Berkeley (WS 2015/16). 2020 promovierte er mit der Arbeit Daedala lingua. Lukrez als Übersetzer des Realen. Von Oktober 2020 bis April 2021 war er Postdoktorand am Kunsthistorischen Institut Florenz (Max-Planck-Institut). Seit Juni 2021 ist er im Rahmen eines APART-GSK-Stipendiums der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Wien. Seine Forschung beschäftigt sich unter anderem mit antiker und frühneuzeitlicher Philosophie und Poetologie, mit Theorien der Imagination und Problemen der philosophischen Ästhetik.
Rationis Imago. Descartes’ Dichten, Träumen, Denken, Paderborn 2018; »Integri Fontes. Allegorie und Zitat beim jungen Descartes«, in: Claus Zittel und Marcus Born (Hg.), Literarische Denkformen, Paderborn 2018, S. 47–79; »Manifest gegen die Evidenz. Tastsinn und Gewissheit bei Lukrez«, in: Helmut Lethen, Ludwig Jäger, Albrecht Koschorke (Hg.), Auf die Wirklichkeit zeigen. Zum Problem der Evidenz in den Kulturwissenschaften. Ein Reader, Frankfurt/New York 2015, S. 85–105.
Seit dem Spätmittelalter werden die Versuchungen des heiligen Antonius oftmals als Leseszene visualisiert. In den bildenden Künsten wird Antonius als versunkener, gestörter oder geschändeter Leser dargestellt, der dem Überfall der Dämonen ausgesetzt ist. Jakob Moser fragt ausgehend von diesen Bildern nach dem Verhältnis von Schrift und Versuchung.