Markus Rheindorf
ifk Junior Fellow


Zeitraum des Fellowships:
01. Oktober 2003 bis 30. Juni 2004

Siegfried Kracauers Filmsprache(n)



PROJEKTBESCHREIBUNG

Als eine der wichtigsten Persönlichkeiten der frühen Geschichte der Filmtheorie, machte Siegfried Kracauer (1889–1966) wie auch André Bazin den inhärenten Realismus der Kamera – bedingt durch den fotochemischen Prozeß der Fotografie – zum Eckpfeiler seiner Theorie des Films. Dennoch war sein Realismus niemals vereinfachend oder naiv – die Automatik des kinematographischen Apparats an sich war für ihn eine notwendige, aber für sich alleine nicht ausreichende Voraussetzung des filmischen Realismus. Neben dem Realismus stand von Anfang an das soziologische Interesse an den demokratischen und antidemokratischen Möglichkeiten dieses Massenmediums im Hintergrund von Kracauers Auseinandersetzung mit Film als einer "unscheinbaren Oberflächeräußerung" der Gesellschaft, welche durch ihre angestrebte Massenwirksamkeit das Unbewußte einer Epoche oder einer Nation widerspiegelt. Aus dieser Überzeugung heraus sind die FilmkritikerInnen für Kracauer nur als GesellschaftskritikerInnen denkbar. Durch die zentrale Rolle der gesellschaftlichen Dimension in seiner Theorie verschob Kracauer die Frage des filmischen Realismus auf eine andere Ebene: Film als Repräsentation oder Allegorie nicht nur der materiellen Wirklichkeit, sondern der unausgesprochenen Sehnsüchte und Ängste der Menschen.

Film tritt bei Kracauer allerdings noch unter einem zweiten Aspekt als "Spiegel" der Gesellschaft auf: der Film als Möglichkeit, die Wirklichkeit sichtbar zu machen. Hierbei setzte er große Hoffnungen auf das noch junge Medium als ein Mittel, um der zunehmenden Fragmentierung der Moderne entgegenzuwirken und damit eine "Errettung der äußeren Wirklichkeit" zu erreichen. Der wahrhaft "filmische Film" ist demnach kein Erfassen von "Dingen an sich", sondern "macht sehen" und ermöglicht ein Erkennen der Dinge in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung.

Erst aus dieser "materialistischen Ästhetik" heraus läßt sich Kracauers Haltung gegenüber dem in der Filmtheorie generell weitverbreiteten Konzept der "Filmsprache" untersuchen und begreifen. Im Rahmen einer weitgreifenden Auseinandersetzung mit der Geschichte der theoretischen Beziehungen zwischen Sprachwissenschaft und Filmtheorie ist es Ziel dieses Forschungsprojekts, diese Haltung Kracauers aus seinen filmtheoretischen, soziologischen und journalistischen Arbeiten herauszuarbeiten und in Beziehung zu seinen kulturpolitischen Überzeugungen zu setzen. Insofern die spezifische Sprache Kracauers einen integralen Bestandteil seiner Theorie bildet, soll auch seine eigene "Filmsprache" – als Sprache über den Film verstanden – Gegenstand der Analyse sein.



CV

Mag. phil., geboren 1978 in Wien, Studium der Amerikanistik und Angewandten Sprachwissenschaft an der Universität Wien



Publikationen

Processes of Embodiment and Spatialization in the Writings of Paul Auster, in: Reconstruction (July 2002), special issue: http://www.reconstruction.ws, 14.8.2003; It’s a Two Way Ticket: Transposing Narratives across the Media Divide, in: TEXT Technology. From Dots to Bodies: Intersections of Cinema and Video Games. Special Issue 2003; Civilization III: Playing the World from an American Perspective, in: Iowa Cultural Review 2003