Übersetzung der Psychoanalyse. Von Wien nach New York und zurück
In den Jahren nach dem Anschluss wanderten viele jüdische Psychoanalytiker und Philosophen über den Atlantik und ließen sich in New York City nieder. Diese Immigranten brachten nicht nur eine neue psychiatrische Tradition mit, sondern auch eine Vielzahl politischer Verpflichtungen. Wie bei jeder Migration wurde jedoch auch die überkommene Tradition übersetzt und neu gestaltet. Im ersten Teil meines Projekts untersuche ich die Übersetzung der Psychoanalyse in den amerikanischen Wortschatz und die amerikanische Kultur, wobei ich mich insbesondere auf die Wege konzentriere, auf denen Persönlichkeiten wie Wilhelm Reich und Herbert Marcuse eine von der Psychoanalyse inspirierte Politik der sexuellen Befreiung mitbrachten.
Seit den frühen 1980er-Jahren wurde die Psychoanalyse jedoch in den USA weitgehend durch eine Kombination aus kognitiver Verhaltenstherapie (oft als Achtsamkeits-Therapie bezeichnet) und pharmazeutischen Medikamenten ersetzt. Viele dieser Veränderungen wurden wiederum weltweit exportiert – zum Beispiel ist die KVT heute die am weitesten verbreitete Therapieform der Welt. Der zweite Teil des Projekts untersucht daher den aktuellen Stand der Psychotherapie in Österreich (und in Westeuropa allgemeiner), wobei es darauf fokussiert, wie amerikanische Ansätze zur Psychiatrie wiederum die politischen Werte des heutigen Österreich beeinflusst haben.
Ricky DeSantis ist Doktorand im Philosophie-Department der Fordham University, wo er an einer Dissertation mit dem vorläufigen Titel Die Frage des Verlangens: Zeit, Logik und Widerspruch in der Psychoanalyse arbeitet. Die Dissertation versucht, eine Neuinterpretation von Freuds Darstellung der »zeitlosen« und »widersprüchlichen« Natur des Unbewussten zu geben, indem sie Ressourcen aus der deutschen Idealistischen Tradition und der Arbeit des Psychoanalytikers Jacques Lacan heranzieht. Ricky hat seinen Bachelor-Abschluss in Philosophie mit einem Nebenfach in Neurowissenschaften an der San Diego State University und einen Master-Abschluss in Philosophie an der Miami University absolviert, wo er ein Altman Fellow war. Er hat zuvor Forschungsarbeiten über die philosophischen Grundlagen der kognitiven Verhaltenstherapie, die psychiatrischen Werke von Michel Foucault und die Phänomenologie von Martin Heidegger verfasst und präsentiert.
»Love’s Resistance: Heidegger and the Problem of First Philosophy«, in: Journal of the British Society of Phenomenology 2022, Vol. 53: No. 1, 61–74.
In the years following the »Anschluss«, many Jewish psychoanalysts and philosophers crossed the Atlantic, making their homes in New York City. These immigrants brought with them not only a new psychiatric tradition, but also a slew of political commitments. The lecture looks at the translation of psychoanalysis into the American lexicon and culture, and examines the current state of psychotherapy in Austria.