Romana Filzmoser
ifk Junior Fellow


Zeitraum des Fellowships:
01. Oktober 2005 bis 30. Juni 2006

Ikonographie des Liederlichen. Visualisierungsstrategien von Prostitution im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert



PROJEKTBESCHREIBUNG

Die Debatten um weibliche Sexualität, weibliche Erwerbstätigkeit und um die Bestimmung des "Normalen" und "Devianten" kulminieren im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert in den Auseinandersetzungen um die städtische, weibliche Prostitution. Innerhalb dieser Schnittstelle des Eindringens des Privaten in den öffentlichen Raum werden Machtverhältnisse diskutiert, die in Bildern zum Ausdruck kommen. Die Darstellungen von Prostitution sind dabei nicht als Spiegel eines virulenten Themas zu lesen, sondern liefern aktiv Argumente für die Diskussion. Denn Prostitution operiert im Verborgenen, um über sie zu sprechen, braucht es ein Bild von Prostitution. Diese Konstruktion, so die Grundannahme, wird vom materiellen Bild affiziert. Die "Prostituierte", wie man sie aus den Darstellungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kennt, gibt es im frühen 19. Jahrhundert so noch nicht. Es existieren allerdings Vorläufer, gleichsam Seitenblicke auf lasterhafte Momente im öffentlichen Raum und auf Alltagsszenen, die bestimmte visuelle Strategien der Sichtbarmachung von Prostitution tradieren, erproben und entwickeln. Die Visualisierungen, durch die Prostitution sichtbar und gleichzeitig semantisiert wird, arbeiten dabei subtil mit der Spannung zwischen Verborgenem, Geheimem – die Prostituierte und die Prostitution an sich – und deren inszenierte Zurschaustellung im Bild. So wie sich die Prostituierte auf der Straße vor der Obrigkeit verbergen und gleichzeitig für mögliche Kunden zeigen muss, geschieht dies auch im Bild. Für ihre Sichtbarmachung musste ein Dechiffrierungssystem entwickelt werden, eine Ikonographie des Liederlichen. Den Inszenierungen der Blicke kommt dabei zentrale Bedeutung zu. Sie sind sowohl das werbende, verführende Instrument der Prostituierten im Bild als auch zwischen ihr und dem Betrachter. Diese Beziehung kann verführerisch, im nächsten Moment entlarvend oder warnend sein. Hinter der anmutigen Tracht des Stubenmädchens kann sich der auffordernde, anbietende Blick einer Prostituierten offenbaren, den es zu bannen oder für nicht Eingeweihte zu verbergen gilt. Hinter der schönen, verführerischen Hülle einer Prostituierten kann sich ein kranker, korrumpierender Körper verbergen, den es zu enttarnen gilt. Die Facetten ihrer ambivalenten Erscheinung werden mittels ikonographischer Muster artikuliert, die in Form von Rückgriffen auf Bildtraditionen, in Adaptionen und Bildfindungen in die Darstellungen von Prostitution einfließen. Gegenstand der Arbeit ist die Untersuchung dieser Ikonographie von Prostitution um 1800 im deutschsprachigen Raum, hauptsächlich in jenen Druckgraphiken und Zeichnungen aus der Populärkunst, die sich auf die Metropolen Berlin und Wien beziehen.



CV

Mag.phil., Studium: Kunstgeschichte und Geschichte in Salzburg und Berlin



Publikationen

Wohnen, Arbeiten und Zuwanderung in Lend im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 145, 2005 (Ergebnisse der Diplomarbeit); Zur Ikonographie des Liederlichen im Tanz. Das Foyer de la Danse in der Opéra Rue Le Peletier, in: Gunhild Oberzaucher-Schüller (Hg.), Souvenirs de Taglioni, München 2005.