Die Rückführung der Überreste von Klaas und Trooi Pienaar nach Südafrika. Eine Intervention in österreichische anthropologische Sammlungen
Im Jahr 2012 wurden die Gebeine der Pienaars nach Südafrika zurückgeführt und wieder begraben. Rudolf Pöch, Inhaber der ersten Professur für Anthropologie und Ethnografie in Österreich, hatte die Leichen 1909 exhumieren und nach Wien schiffen lassen, um sie rassisierter anthropologischer Forschung zugänglich zu machen. Etliche weitere menschliche Überreste und Artefakte, auch auf derselben Reise angeeignete, befinden sich in Österreich. Das Forschungsprojekt geht der Frage nach, warum und mithilfe welchen Netzwerkes Pöch die Leichen raubte. Sein Vorgehen wird als Fallbeispiel kolonialer Involvierung der Habsburgermonarchie analysiert. Vor diesem Hintergrund werden Kontexte und Potenziale des Akts der Repatriierung untersucht. Welche Diskurse äußern sich zu diesem Ereignis? Wie werden Fragen von Identitätskonstruktion, Nation, kolonialer Verantwortung und der Aufgabe staatlich finanzierter Wissensproduktion verhandelt? Kann diese Rückführung zu Dekolonialisierungsprozessen beitragen?
Sophie Schasiepen hat ihr Studium an der Akademie für bildende Künste Wien 2013 mit der Diplomarbeit „Schreiben über Dr. Rudolf Pöchs ,Forschungsreisen‘. Postkoloniale Kritiken und die österreichische Rezeption eines k. u. k. Anthropologen“ abgeschlossen. 2014 war sie Mitarbeiterin im künstlerischen Forschungsprojekt „Utopian Pulse – Flares in the Darkroom“ (FWF AR 183-G21). 2015/2016 konnte sie als Marietta-Blau-Stipendiatin in Südafrika Forschungen für ihre Dissertation zur Repatriierung von Klaas und Trooi Pienaar unternehmen. Sie war als Redakteurin bei der „MALMOE“ (2009–2015) und dem „Bildpunkt“, der Zeitschrift der IG Bildende Kunst Österreich, (2012–2015) tätig.
„Autoritäten verschieben, festlegen, angreifen. Einige Fragen zu Repatriierungsverhandlungen“, in: Bildpunkt, Zeitschrift der IG Bildende Kunst, Sommer 2016, S. 8–9; „Did you try to find out where this comes from? Bericht zur Konferenz „Positioning Ethnological Museums in the 21st Century“ der Volkswagenstiftung und des Deutschen Museumsbundes, 21.6. – 23.6.15 in Hannover, in: progress online; „Out of the Salon. Female counterspaces, anticolonial struggles and transversal politics“, in: Ines Doujak, Oliver Ressler (Hg.): Utopian Pulse – Flares in the Darkroom, London 2015, S. 44–51; „Österreichische ethnographische und anthropologische Bildproduktion in Südafrika um 1900. Parameter einer kolonialrassistisch geprägten Perspektive am Beispiel von Rudolf Pöch“, in: Sabelo Mlangeni. Postapart/heid Communities, Ausstellungskatalog, Akademie der bildenden Künste Wien, 2014, S. 80–87.
Ein Beitrag von IFK_Junior Fellow abroad Sophie Schasiepen:
Sophie Schasiepen widmet sich zwischenstaatlichen und interkulturellen Aspekten des Themas "Kultur erben". Ihre Reflexionen zu Fragen der Wiedergutmachung und Repräsentation entwickelt sie am Beispiel einer Rückgabezeremonie von Ahnen der Maori an eine neuseeländische Delegation im Bremer Übersee-Museum.
ZFK Zeitschrift für Kulturwissenschaften 1/19: Artikel von Sopie Schasiepen, IFK_Junior Fellow im Studienjahr 2016/17.
Europäische anthropologische Sammlungen stehen schon lange in der Kritik. Doch scheint die Diskussion hierzulande kaum über das meist akademische Fachpublikum hinauszugehen. Verhandlungen um menschliche Überreste in Sammlungen machen die weitreichenden gesellschaftspolitischen Dimensionen und Fragen nach sozialer Gerechtigkeit in den Debatten greifbarer.