Tasos Zembylas
ifk Junior Fellow


Zeitraum des Fellowships:
08. Januar 1995 bis 30. November 1995

Sprechen über Kunst: Probleme - Möglichkeiten- Grenzen



PROJEKTBESCHREIBUNG

In diesem Forschungsprojekt soll das Problem der Versprachlichung visueller Eindrücke im Bereich der Bildenden Kunst untersucht werden. Die Problemstellung verlangt eine umfassende interdisziplinäre Arbeitsmethode, d.h. es sind sozialpsychologische, philosophische und soziologische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Die bisherigen Untersuchungen in diesem Gebiet haben meiner Meinung nach viele Aspekte aus dem alltäglichen Umgang mit Kunstobjekten nicht genügend berücksichtigt. Dadurch wurde die Kontingenz der Entwicklung der Wahrnehmungsformen und der Versprachlichung von Kunst übersehen. Im philosophischen Geschehen unseres Jahrhunderts -um hier ein Beispiel zu erwähnen - wurde häufig Gegenteiliges zu dem, was ich für untersuchenswert erachte, behauptet: nämlich die Inkommensurabilität von Sprache und Aisthesis, also dem begrifflichen und dem bildnerischen Denken. Aber die Auffassung von Kunstwerken als "rein visuelle" Gebilde reflektiert nicht ihre Symbolfunktion, die in der gegenwärtigen kulturellen Praxis beobachtbar ist. Aufgrund der Inkommensurabilitätsthese wurde auch immer wieder behauptet, daß manche Kunstwerke sich an der Grenze der Interpretierbarkeit bewegen, und daß sie Privatsprachen ähneln. Ich möchte dieser Behauptung widersprechen. Denn es liegt in der Sprache selbst, daß sie an eine Gemeinschaft anschließt.

Was der Kunstbetrachter (und der Kunstkritiker) abzulesen versucht, sind Urteile, Denkprozesse und Weltbilder, die das Kunstwerk seiner Auffassung nach exemplifiziert. Unabhängig davon, wie man das "Kunstwerk" und seinen "Inhalt" definiert, brauchen wir eine Theorie der Wahrnehmung und eine Theorie der Beschreibung von Wahrnehmungseindrücken, um die Rolle des Kunstbetrachters und des Kunstkritikers zu beschreiben. Die ästhetische Wahrnehmung hängt von verschiedenen kollektiven und individuellen Faktoren ab (z.B. von der Präsentationsweise von Kunstwerken, von den Sehgewohnheiten des Betrachters u.a.). Ziel meiner Forschung ist, die politischen Implikationen zu zeigen, die die Kunstrezeption, d.h. der Wahrnehmungsakt und die Versprachlichung visueller Eindrücke, beeinflussen.



CV

Tasos ZEMBYLAS, Mag., geb. 1962, studiert seit 1991 an der Universität Wien Philosophie. 1995 Erlangung des Magistergrades mit einer Arbeit über "Die Formation des Kunstbegriffs". Darin wurde die Frage behandelt, inwieweit die Institutionen des Kunstbetriebs (Recht, Kunstmarkt, Berufsbedingungen, Kunstkritik und Ausstellungswesen) die kollektive und individuelle Urteils- und Präferenzbildung beeinflussen. Forschungsschwerpunkte sind Kunst- und Wissenssoziologie, Ästhetik und Sprachphilosophie; arbeitet derzeit an seiner Dissertation; im Rahmen seines Junior Fellowships wird er mit Jean-Pierre Cometti zusammenarbeiten.