Die Ehe der Jahrhundertwende ist eine »soziale Komödie«, so die österreichische Autorin Marie delle Grazie mit Blick auf den Widerspruch der Ehe als institutionalisierte Beziehung und ökonomische Institution. Der Vortrag untersucht die strukturelle Homologie zwischen komödiantischem Spiel und ehelicher Praxis auf jenen Bühnen, die eine im Kern ökonomische Einrichtung bereitstellen.

Die Ehe wird um 1900 zum Problem, wie eine steigende Zahl von Diskursbeiträgen zeigt. Enqueten, Gutachten, philosophische Traktate und anthropologische Studien setzen dabei vermehrt auf die Metapher des Schauspiels – das eheliche Drama basiert auf der Inszenierung von wechselseitiger Zuneigung, die die Ökonomie der Institution vergessen lässt. Für die Akteur*innen reichen die Optionen von »gelebter« Rollenerfüllung bis zu ironischer Teilnahme an einem zynischen Spiel zur Gewinnmaximierung. In der literarischen Gattung Komödie der Epoche wird der durch die zeitgenössische Ehepraxis erzeugte Schein reproduziert, zugleich aber wird die Brüchigkeit dieser Illusion herausgestellt, implizite Normen der Ehe und deren ökonomische Mechanismen werden transparent. Der Vortrag versucht an Komödien der Wiener Jahrhundertwende den Vergleich der Ergebnisse einer mit dramatischen Kategorien operierenden Institutionenkritik und einer soziologisch belastbaren Dramatik.

Clemens Woldan studierte Deutsch, Philosophie und Psychologie (LA) in Salzburg, ist gegenwärtig Doktorand an der Paris Lodron Universität Salzburg und als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Stefan Zweig Zentrum tätig. Seine Diplomarbeit Die Wiener Komödie um 1900 wurde mit dem Förderpreis für die beste Diplomarbeit (2019) des Fachbereichs Germanistik ausgezeichnet. Im Rahmen seiner Dissertation untersucht er die Praxis der Ehe in Wiener Komödien um 1900 in Hinblick auf Austausch-, Konvertierungs- und Übersetzungsprozesse von Kapital in ökonomische und soziale Handlungsformen. Derzeit ist er IFK_Junior Fellow.

DER VORTRAG FINDET HYBRID STATT.

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