Die kolonialen Projekte europäischer Staaten hinterließen vielfältige Spuren in ihren Gesellschaften – nicht nur in den offiziellen, sondern auch in Familiengedächtnissen. Der Vortrag nimmt in Familien überlieferte Bildbestände in den Blick und fragt, wie Individuen durch deren Aneignung oder Ablehnung koloniale Erinnerungen verhandel(te)n.
Rasch nach ihrer Erfindung wurde die Fotografie zu einem populären Modus, in dem koloniale AkteurInnen sich Räume aneigneten, die als fremd wahrgenommen wurden. Die Fotografie trug dazu bei, Vorstellungen über koloniale Räume zu materialisieren, zu übersetzen und über weite Distanzen, zwischen Kolonie und Herkunftsland, konsumierbar zu machen. Auf diese Weise schrieben Fotografien dichotome Ordnungen wie weiß/schwarz und zivilisiert/unzivilisiert fest. Mit dem Tod ihrer BesitzerInnen verschwanden diese Fotos allerdings nicht. Gemeinsam mit mündlichen Erzählungen und anderen Mitbringseln wurden sie Teil familiärer Gedächtnisse. Der Vortrag beschäftigt sich mit der Frage, welche Rolle die visuellen Zeugnisse im Kontext des Familiengedächtnisses spiel(t)en und welche Vorstellungen kolonialer Ordnungen diese vermittel(te)n. Darüber hinaus werden die dahinterstehenden Prozesse der Aneignung/Ablehnung, Aufbewahrung, Präsentation und der Einbettung der visuellen Bestände in den familiären Alltag untersucht.
Markus Wurzer studierte Geschichte und Germanistik an den Universitäten Graz und Bologna. Von 2015 bis 2016 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte in Graz, wo er über Kolonialkriege in visuellen Kulturen und Familiengedächtnissen dissertiert.Von 2016 bis 2017 war er Universitätsassistent am Institut für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte in Linz. Derzeit ist er IFK_Junior Fellow.
Gastbeitrag von IFK_Junior Fellow Markus Wurzer für science.orf.at
Ort: IFK
Zurück