Europäische anthropologische Sammlungen stehen schon lange in der Kritik. Doch scheint die Diskussion hierzulande kaum über das meist akademische Fachpublikum hinauszugehen. Verhandlungen um menschliche Überreste in Sammlungen machen die weitreichenden gesellschaftspolitischen Dimensionen und Fragen nach sozialer Gerechtigkeit in den Debatten greifbarer.
„Auf die Erwerbung von Schädeln und Skeletten, womöglich auch von Weichteilen (...) bin ich sehr bedacht, und hoffe mit der nötigen Vorsicht zu derartigem Material zu gelangen“, schrieb Rudolf Pöch 1908 aus dem damaligen „Deutsch-Südwestafrika“ an die Akademie der Wissenschaften in Wien. Die Menschen, um deren Überreste es hier auch ging, waren dort gerade in einem Vernichtungskrieg der Truppen des Deutschen Kaiserreiches niedergeschlagen worden. Die Akademie in Wien hatte Pöch für eine zweijährige Reise durchs südliche Afrika großzügig gefördert. Dennoch verblieb das von ihm angeeignete „osteologische Material“ größtenteils in seinem Besitz. Er setzte es als „Lehrsammlung“ an der Universität Wien ein, wo er 1919 zum ersten Professor für Anthropologie und Ethnologie in Österreich berufen wurde. Seit Kurzem ist diese Sammlung am Institut für Anthropologie wegen Provenienzforschung geschlossen. Im Vortrag werden materielle, politische und ethische Ebenen des Handels mit menschlichen Überresten diskutiert, aus dem diese „Sammlungen“ hervorgegangen sind. Welche Konsequenzen hat diese Geschichte für heutige wissenschaftliche Forschung und die Zukunft der Institutionen, die weiterhin von ihr profitieren?
Sophie Schasiepen hat ihr Studium an der Akademie der bildenden Künste Wien 2013 abgeschlossen. Sie war Mitarbeiterin im künstlerischen Forschungsprojekt „Utopian Pulse – Flares in the Darkroom“ (FWF AR 183-G21). 2015/2016 forschte sie als Marietta-Blau-Stipendiatin in Südafrika zur Repatriierung von Klaas und Trooi Pienaar. Derzeit ist sie IFK_Junior Fellow.
Ort: IFK
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